Leitsatz

* Die vorläufige Erteilung einer Freistellungsbescheinigung von der Bauabzugsteuer im Weg der einstweiligen Anordnung erfordert substanziierte und überdies glaubhaft zu machende Darlegungen des Antragstellers, dass er nach seinen konkreten Erfahrungen ohne die Bescheinigung nicht in der Lage ist, die für sein wirtschaftliches überleben notwendigen Aufträge zu erhalten. Dazu gehören in der Regel Darlegungen,

  • in welchem Umfang das Unternehmen von Aufträgen steuerabzugspflichtiger Leistungsempfänger abhängig ist;
  • dass das Fehlen der Bescheinigung generell oder zumindest in einer Vielzahl von Einzelfällen die Akquisition von Aufträgen verhindert hat oder zu verhindern droht und
  • dass und weshalb die wirtschaftliche überleben nicht auch durch eine beschränkte Bescheinigung vorläufig gesichert werden kann.

* Leitsatz nicht amtlich

 

Normenkette

§ 48b EStG , § 114 FGO

 

Sachverhalt

Die Antragstellerin war eine GmbH, zu deren Geschäftsgegenstand u.a. ein Malereibetrieb gehört. Sie erwirtschaftete von 1995 bis 1999 Umsätze zwischen 45?000 DM und 432?000 DM, erzielte von 1995 bis 1998 Verluste und nur in 1999 einen Gewinn. Steuererklärungen wurden nur schleppend abgegeben, weshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt wurden. Gleichermaßen verhielt es sich mit LSt-Anmeldungen. Die gesamten Steuerrückstände beliefen sich auf rund 38?000 5 zzgl. rund 18?000 5 an Säumniszuschlägen. Das FA hatte die Insolvenzeröffnung beantragt; darüber war noch nicht entschieden.

Dem Antrag auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung gem. § 48b EStG war der Erfolg wegen der steuerlichen Unregelmäßigkeiten und der Steuerrückstände versagt. Die GmbH beantragte daraufhin beim FG den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Erteilung einer auf die Dauer von drei Jahren befristeten Bescheinigung.

 

Entscheidung

Das FG gab dem teilweise statt. Es verpflichtete das FA zur Erteilung einer auf neun Monate befristeten Bescheinigung.

Das FA legte dagegen Beschwerde ein, und der BFH erwies sich als erheblich strenger als das FG. Im Einzelnen ist auf die Praxis-Hinweise zu verweisen.

 

Hinweis

Wenn Sie offenen Auges den allwöchentlichen steuerlichen Gazetten-Wald durchforsten, wird Ihnen aufgefallen sein, dass mittlerweile die neue und leidige sog. Bauabzugsteuer gem. ?§ 48 ff. EStG die FG erreicht hat, vorerst allerdings noch nicht in Hauptsacheverfahren, sondern in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (s. z.B. FG Berlin vom 21.12.2001, EFG 2002, 330; FG Düsseldorf vom 4.3.2002, EFG 2002, 688). Es geht dabei durchweg darum, die Freistellungsbescheinigung gem. § 48b EStG zu erlangen, also jene Bescheinigung, welche vom Steuerabzug befreit.

Gem. § 48b EStG kann das FA die Erteilung einer solchen Bescheinigung freilich verweigern, nämlich insbesondere dann, wenn der zu sichernde Steueranspruch gefährdet erscheint, was wiederum namentlich dann der Fall sein soll, wenn der Steuerpflichtige Anzeigepflichten nach § 138 AO nicht erfüllt, seinen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach § 90 AO nicht nachkommt.

2. Verfahrensrechtlich einschlägig dafür, eine zunächst vorläufige Freistellung im Eilverfahren zu erhalten, ist die einstweilige Anordnung (§ 114 FGO) und nicht die AdV (§ 361 AO, § 69 FGO). Denn richtige Klageart im Hauptverfahren ist zur Erlangung der Bescheinigung die Verpflichtungsklage: Das FA soll zum Erlass eines Bescheids verpflichtet werden. "Einsatzgebiet" der AdV ist demgegenüber die Anfechtungsklage, mittels derer ein Verwaltungsakt geändert oder aufgehoben werden soll.

3. Um eine einstweilige Anordnung erfolgreich durchsetzen zu können, sind allerdings einige Hürden zu nehmen: Es bedarf zunächst eines Anordnungsanspruchs. Das ist letztlich der materiell-rechtliche Anspruch auf das Begehrte, hier nach Maßgabe des § 48b EStG. Und es bedarf eines Anordnungsgrunds. Der vorläufige Zustand ist danach in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (nur) zu treffen, wenn die Regelung (1) zur Abwendung wesentlicher Nachteile, (2) zur Verhinderung drohender Gewalt oder (3) aus anderen Gründe nötig erscheint. M. a. W.: Es muss eine Eilentscheidung zwingend geboten und unerlässlich sein, um bleibende existenzielle Schäden von dem Antragsteller abzuwenden.

4.Dafür gilt: Grundsätzlich soll die Regelungsanordnung gem. § 114 FGO die Hauptsacheentscheidung nicht vorwegnehmen. So verhält es sich indes regelmäßig bei Freistellungsbescheinigungen: Sind sie einmal – wenn auch nur vorläufig – erteilt, dann hat der Antragsteller exakt das erhalten, was er auch im Hauptsacheverfahren erstrebt. Aus Sicht des Fiskus ist, salopp formuliert, das Kind dann in den Brunnen gefallen.

Deswegen lässt sich eine solche Vorwegnahme generell nur rechtfertigen, wenn (1.) wenn auf andere Weise kein effektiver Rechtsschutz gewährt werden kann, wenn (2.) der Erfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren wahrscheinlich ist und wenn (3.) der Anordnungsgrund eine besondere Intensität aufweist. Diese Voraussetzungen sind vom Gericht nur summarisch zu prüfen, und zwar nur bezogen auf dasjen...

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