Leitsatz
Es bestehen ernstliche Zweifel daran, ob § 37 KStG 2002 der Nutzung eines Körperschaftsteuerguthabens entgegensteht, das auf einer Ausschüttung eines Tochterunternehmens im laufenden Wirtschaftsjahr beruht und daher zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs nicht gesondert festgestellt wurde.
Normenkette
§ 69 FGO , § 37 KStG 2002
Sachverhalt
Die Antragstellerin, eine GmbH, war im Streitjahr 2002 zu 100 % an einer anderen GmbH (T) beteiligt. Das Körperschaftsteuerguthaben der Antragstellerin zum 31.12.2001 wurde mit Bescheid vom 10.12.2002 auf 12.707 Euro festgestellt. Laut Steuerbescheinigung der T schüttete diese für den Veranlagungszeitraum 2002 aufgrund Beschlusses vom 8.11.2002 3.118.000 Euro noch im Jahr 2002 an die Antragstellerin aus. Die Höhe des Körperschaftsteuerminderungsbetrags betrug 519.667 Euro. Am 15.11. 2002 hat die Gesellschafterversammlung der Antragstellerin eine Gewinnausschüttung i.H.v. 3.150.000 Euro beschlossen.
Bei der Körperschaftsteuerveranlagung für 2002 begehrte die Antragstellerin eine Körperschaftsteuerminderung i.H.v. 525.000 Euro (= 1/6 von 3.150.000 Euro).
Im Körperschaftsteuerbescheid für 2002 wurde bei einer Tarifbelastung von 407 Euro, eines Körperschaftsteuerminderungsbetrags von 12.707 Euro und eines Körperschaftsteuererhöhungsbetrags von 519.667 Euro die Körperschaftsteuer auf 507.367 Euro festgesetzt. Das verbleibende Körperschaftsteuerguthaben wurde zum 31.12. 2002 mit 519.667 Euro gesondert festgestellt.
Das FA lehnte es ab, den Körperschaftsteuerbescheid 2002 von der Vollziehung auszusetzen. Vor dem FG hatte der Antrag jedoch Erfolg.
Entscheidung
Der BFH hat das im Aussetzungsverfahren und nach summarischer Rechtsprüfung bestätigt. Das Gesetz lasse die eine wie die andere Regelungsauslegung des § 37 KStG zu, was zugleich ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerbescheide bewirke.
Hinweis
1. Der Systemwechsel vom früheren Körperschaftsteuer-Anrechnungsverfahren zum nunmehrigen Körperschaftsteuer-Halbeinkünfteverfahren brachte die Frage mit sich, wie im Hinblick auf die bisherigen Untergliederungen des für Ausschüttungen verwendbaren Eigenkapitals (vEK) zu verfahren ist ( § 30 KStG a.F.). Das sind die mit Körperschaftsteuer belasteten Teilbeträge des vEK, die entsprechend der Tarifbelastung als EK 45, EK 40 und EK 30 bezeichnet wurden, sowie die nicht mit Körperschaftsteuer belasteten Teilbeträge des vEK, die entsprechend der Nummerierung in § 30 Abs. 2 KStG a.F. als EK 01, EK 02, EK 03 und EK 04 bezeichnet wurden.
Die übergangslose Ersetzung des Anrechnungsverfahrens hätte zur Konsequenz gehabt, dass die Besagten Steuerbelastungen geworden wären; ihre Minderung durch Ausschüttung auf die Ausschüttungsbelastung von 30 % wäre ausgeschlossen gewesen. Umgekehrt wären bislang unbelastete Teile des vEK definitiv unbelastet geblieben. Dadurch wäre Steuerminderungspotenzial gleichsam enteignet worden. Deren KSt-Guthaben wird also entprechend erhöht und im Ausschüttungsfall realisiert.
2. Um das zu verhindern, sehen die § § 36 bis 40 KStG ein zeitlich begrenztes – und im Einzelnen überaus streitanfälliges – Übergangsrecht vor: Die verbleibenden Endbestände der Teilbeträge sind gem. § 36 Abs. 7 KStG gesondert festzustellen. Davon ausgehend mindert sich das Körperschaftsteuer-Guthaben gestreckt über insgesamt 18 Jahre im Grundsatz um jeweils 1/6 jener Gewinnausschüttungen, die in den folgenden Wirtschaftsjahren erfolgen und die auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss beruhen, § 37 Abs. 2 KStG. Auch das verbleibende Körperschaftsteuer-Guthaben ist auf den Schluss des jeweiligen Wirtschaftsjahrs, letztmals auf den Schluss des 17. Wirtschaftsjahrs, fortzuschreiben und gesondert festzustellen, § 37 Abs. 2 Satz 4 KStG.
Sind die Bezüge beim Empfänger gem. § 8b Abs. 1 KStG steuerbefreit, so erhöht sich bei der empfangenden Körperschaft deren Körperschaftsteuer-Guthaben um den Betrag der Körperschaftsteuer-Minderung bei der leistenden Körperschaft, § 37 Abs. 3 Satz 1 KStG. Beschließt die empfangende Körperschaft ihrerseits eine Gewinnausschüttung, dann wird wiederum ihr das Körperschaftsteuer-Guthaben nach Maßgabe des § 37 Abs. 2 KStG erstattet.
3. Fraglich ist nun, ob in diesem letzteren Fall der Weiterausschüttung der empfangenden Beträge durch die Muttergesellschaft die "Aktivierung" des Körperschaftsteuer-Guthabens zwingend die gesonderte Feststellung der besagten Endbestände des vEK voraussetzt. Das ist streitig. Folgt man der Finanzverwaltung (BMF, Schreiben vom 6.11.2003, BStBl I 2003, 575 Tz. 40), dann erfordert die Nutzung des Guthabens stets eine gesonderte Feststellung. Die "phasengleiche" Erhöhung des Guthabens durch eine Weiterausschüttung wäre ausgeschlossen. Die Gestaltungspraxis möchte naturgemäß das Gegenteil (z.B. Bren/Kirste, GmbHR 2003, 1047, 1049; Lornsen-Veit/Möbus, BB 2003, 1154, 1156). Beachte: Dieses Problem kann sich immer nur bei der GmbH stellen, bei der AG hingegegen nicht, weil einer sol...