Rz. 81
Unter einer verdeckten Einlage versteht die Steuerrechtsprechung eine Zuwendung des Gesellschafters an die Kapitalgesellschaft, die ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns der Gesellschaft nicht einräumen würde. Diese Definition impliziert drei Kriterien:
- Es liegt eine unmittelbare oder mittelbare Zuwendung vor.
- Die Zuwendung hat ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis.
- Die Zuwendung stellt einen einlagefähigen Vermögensvorteil dar.
Rz. 82
Für den Ansatz verdeckter Einlagen in der Handelsbilanz greift grundsätzlich das in § 246 HGB kodifizierte Vollständigkeitsgebot. Fraglich ist allerdings, ob unentgeltlich oder weit unter Marktpreis erhaltene Sacheinlagen zu effektiven oder fiktiven Anschaffungskosten anzusetzen sind. Ersterer Fall hätte einen Ansatz i. H. d. Erinnerungswerts bzw. i. H. d. effektiven Gegenleistung zur Folge. Fiktive Anschaffungskosten, also ein Ansatz zum Verkehrswert, bedingten dagegen, dass i. H. d. Differenz zwischen effektiven Anschaffungskosten und (vorsichtig geschätztem) Verkehrswert eine Einstellung in die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB zu erfolgen hätte. Legt man diese Ansicht zugrunde, eröffnet sich auf Seiten der Kapitalgesellschaft ein faktisches Wahlrecht für eine Aktivierung des Nutzungsrechts bis maximal zum Zeitwert und dazu korrespondierend die Passivierung einer Kapitalrücklage; der Gesellschafter, der die Beteiligung im Betriebsvermögen hält, aktiviert nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung. Bedenken gegen eine Einstellung der Differenz in die Kapitalrücklage bestehen jedoch aufgrund der unabdingbaren Voraussetzung, dass im Fall "anderer Zuzahlungen" gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB "der Wille zur Leistung in das Eigenkapital erkennbar" sein muss.
Rz. 83
Für die steuerliche Beurteilung verdeckter Einlagen gilt allgemein der Grundsatz, dass eine Aktivierung bei der Kapitalgesellschaft i. H. d. Teilwerts zu erfolgen hat, während beim Gesellschafter die Voraussetzungen für eine Hinzuaktivierung i. H. d. Teilwertes des eingelegten Wirtschaftsgutes zu den Anschaffungskosten der Beteiligung gegeben sind, falls er diese im Betriebsvermögen hält (vgl. § 6 Abs. 6 Satz 2 EStG). Anders ist dagegen die steuerrechtliche Beurteilung für den Fall einer verdeckten Einlage in Form eines unentgeltlichen Nutzungsrechts: Die Rechtsprechung hat stets, wenn auch mit unterschiedlicher Begründung, das Vorliegen verdeckter Einlagen im Zusammenhang mit Nutzungsrechten abgelehnt. Die Argumentation des Bundesfinanzhofes gegen die Tauglichkeit von Nutzungsrechten als verdeckte Einlagen erfolgte zunächst aus Sicht des Nutzungsüberlassers; niemand sei verpflichtet, aus seinem Vermögen Nutzen zu ziehen, und der Fiskus nicht befugt, einen Nutzen, der vom Eigentümer nicht gezogen wird, zu unterstellen. In den Folgeurteilen stellt der BFH in seiner Argumentation auf das Aktivierungsverbot unentgeltlich erworbener immaterieller Gegenstände des Anlagevermögens gem. § 5 Abs. 2 EStG und die aus der Anknüpfung des Einlagenbegriffs an den Vermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG resultierende Notwendigkeit einer mit der Einlage verbundenen Erhöhung eines Aktiv- bzw. Minderung eines Passivpostens ab.
Rz. 84
In einem Beschluss legt der BFH die grundsätzliche Eignung von Nutzungsrechten zur Einlage i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ausdrücklich fest. Diese Einschätzung erfährt jedoch, was die Qualifikation als verdeckte Einlage betrifft, eine Einschränkung. In seiner Argumentation greift der BFH allerdings nicht auf die frühere Rechtsprechung zurück, sondern gründet seine Entscheidung auf die Ansicht, durch Aktivierung und Abschreibung des Nutzungsrechts werde der gezogene Nutzen der Besteuerung entzogen. Beim Gesellschafter, der Privatmann ist, so der BFH, liege keine Einnahme i. S. d. §§ 8, 20, 21 EStG vor, wenn das Nutzungsrecht ohne Gegenleistung der Gesellschaft gewährt wird; die Erhöhung des Wertes der Beteiligung ist ausweislich dieses Urteils keine Einnahme im o. g. Sinne. Die fiktive Annahme eines Zuflusses beim Gesellschafter wird mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit einer gesetzlichen Fundierung zur Anerkennung einer Fiktion abgelehnt: "Die vermisste Gegenleistung lässt sich nicht durch eine Fiktion des Inhalts ersetzen, der Gesellschafter habe zunächst ein angemessenes Nutzungsentgelt vereinbart und nachträglich auf seine Ansprüche verzichtet oder aber das Geld erhalten und eingelegt. Die Einkunftstatbestände können nur durch ein tatsächliches oder rechtliches, nicht aber durch ein vorgestelltes Geschehen verwirklicht werden."
Fraglich ist allerdings, ob die Entscheidung über die Nichteinlegbarkeit von unentgeltlichen Nutzungsrechten ausschließlich auf Gesellschafter, die Anteile im Privatvermögen halten, anzuwenden ist oder auch für bilanzierende Kaufleute und damit u. a. ebenso für Kapitalgesellschaften gilt.
Rz. 85
Dass ein unentgeltlich eingeräumtes Nutzungsrecht jedoch nicht grundsätz...