Kommentar
Im Streitfall hatte der als Biologe und Chemiker tätige Kläger 1991 einen Computer mit 4 MB RAM sowie 80 MB Festplattenspeicher – einen sogenannten 386er PC – erworben. Während der Kläger von einer Nutzungsdauer des Computers von 3 Jahren ausging, legte das Finanzamt der Einkommensteuerveranlagung 1991 eine Nutzungsdauer von 5 Jahren zugrunde ( Abschreibungen ). Das Finanzgericht hielt – abweichend von Kläger und Finanzamt – eine 4jährige Nutzungsdauer für zutreffend (FG, Urteil v. 17. 7. 1995, 5 K 5828/93, Rev. eingel., EFG 1996 S. 851). Auf die Revision des Finanzamts hob der Bundesfinanzhof das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz.
Der BFH führte aus, die wirtschaftliche Nutzungsdauer eines Wirtschaftsguts hänge von dem Zeitraum ab, in dem das Wirtschaftsgut rentabel genutzt werden kann. Hierauf habe der technische Wandel und der Fortschritt bei der Entwicklung der entsprechenden Wirtschaftsgüter Einfluß. Zur Beweiserleichterung im Bereich der Sachverhaltsermittlung und aus Gründen der Verfahrensökonomie habe die Finanzverwaltung AfA-Tabellen herausgegeben, um einen Anhalt dafür zu geben, ob die voraussichtliche Nutzungsdauer eines Wirtschaftsguts zutreffend geschätzt worden ist (BFH, Urteil v. 26. 7. 1991, VI R 82/89, BStBl 1992 II S. 1000).
Ungeachtet der Frage, ob die AfA-Tabellen von den Steuergerichten zu respektieren sind, erfordert eine Abweichung von ihnen eine Auseinandersetzung mit den Erkenntnisgrundlagen der Finanzverwaltung für die in der AfA-Tabelle aufgestellten Nutzungsdauer des entsprechenden Wirtschaftsguts. Im Streitfall hatte das Finanzgericht keine ausreichenden Umstände dargelegt, die geeignet waren, die Vermutung der Richtigkeit der amtlichen AfA-Tabelle zu widerlegen (BFH, Beschluß v. 16. 6. 1995, X B 237/94, BFH/NV 1995 S. 1062). Insbesondere konnte den Gründen der Vorentscheidung nicht entnommen werden, daß die AfA-Tabelle für das Streitjahr 1991 nicht auf Erfahrungs wissen beruhte und eine offensichtlich unzutreffende Schätzung der Nutzungsdauer von Personalcomputern beinhaltete. Soweit das Finanzgericht davon ausging, daß die rasche Entwicklung der PC es rechtfertige, die wirtschaftliche Nutzungsdauer generell mit weniger als 5 Jahren anzusetzen, hat es nicht beachtet, daß auch die Finanzverwaltung den raschen technischen Fortschritt der PC bei der Aufstellung der AfA-Tabelle und bei der generellen Schätzung der Nutzungsdauer von 5 Jahren berücksichtigt hat.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 08.11.1996, VI R 29/96
Anmerkung:
Bei seiner Entscheidung wird das Finanzgericht, wenn es den Abschreibungszeitraum von 5 Jahren generell für zu lang halten sollte, sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob und warum die statistischen Grundlagen , auf denen die AfA-Tabelle der Finanzverwaltung beruhen, nicht zutreffen . Hierzu wird die Finanzverwaltung entsprechende Unterlagen vorzulegen haben.
Eine andere Möglichkeit, den Rechtsstreit zugunsten des Steuerpflichtigen zu entscheiden, bestände darin, aufgrund der Besonderheiten des im Streitfall zu beurteilenden Computers zu einer vom Normalfall abweichenden kürzeren Nutzungsdauer als 5 Jahre zu gelangen. In diesem Fall müßte der Steuerpflichtige im einzelnen individuelle Gründe darlegen , die für die Abweichung von den Erfahrungswerten der Finanzverwaltung sprechen. M. E. spricht bereits der Preisverfall, dem Personalcomputer der hier streitigen Art in 3 bis 4 Jahren ausgesetzt sind, für eine Bemessung der Nutzungsdauer auf 3 bis 4 Jahre. Die weitere Entwicklung der Rechtsprechung bleibt abzuwarten.