LfSt Bayern, Schreiben vom 2.6.2022, S 2204.1.1-4
In den vergangenen Jahren nutzten viele Darlehensnehmer die Chance, ihren Darlehensvertrag aufgrund einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung zu widerrufen, um in einen Vertrag mit niedrigeren Zinsen zu wechseln oder eine Restschuld ohne Vorfälligkeitsentschädigung in einem Betrag tilgen zu können. Durch den Widerruf wurde der Darlehensvertrag rückabgewickelt, d. h. die Bank erhielt den Darlehensbetrag zurück, der Darlehensnehmer die Zins- und Tilgungsraten. Daneben musste der Darlehensnehmer einen Wertersatz für das erhaltene Darlehen zahlen. In bestimmten Fällen schuldete die Bank zudem die Herausgabe von Nutzungsersatz, da die Bank mit den erhaltenen Raten wirtschaften konnte.
Nach der Verwaltungsauffassung handelt es sich bei der Zahlung von Nutzungsersatz um Kapitalerträge:
„Zahlen Kreditinstitute einen Nutzungsersatz auf rückerstattete Kreditbearbeitungsgebühren oder erhält ein Kreditnehmer aus der Rückabwicklung eines Darlehensvertrages einen Nutzungsersatz für die von ihm an den Darlehensgeber erbrachten Leistungen, handelt es sich um einkommensteuerpflichtige Kapitalerträge im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 7 EStG, bei denen nach § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 7 Buchstabe b EStG eine Verpflichtung zum Kapitalertragsteuerabzug besteht.” (BMF-Schreiben vom 19.05.2022, Rz. 8b)
Die Finanzgerichtsbarkeit stuft solche Zahlungen unterschiedlich ein. So hatte das FG Baden-Württemberg mit Urteil vom 08.12.2020 (Az.: 8 K 1516/18, Revision eingelegt; Az.: VIII R 5/21) entschieden, dass ein dem Kläger im Rahmen der Rückabwicklung eines Darlehensvertrags zugewiesener Nutzungsersatz nicht als Kapitalertrag zu erfassen sei. In einem weiteren Urteil vom 16.12.2021 (Az.: 12 K 1404/20, Revision eingelegt; Az.: VIII R 3/22) stufte das FG Baden-Württemberg einen im Zusammenhang mit dem Widerruf eines Darlehensvertrages erhaltenen Nutzungsersatz ebenfalls als nicht steuerbare Leistung ein.
Diese Urteile widersprechen der obigen Verwaltungsauffassung und stehen zudem im Widerspruch zu den Entscheidungen des Hessischen FG (Urteil vom 06.11.2018, Az.: 12 K 1328/17), des FG Köln (Urteil vom 14.08.2019, 14 K 719/19, Revision eingelegt; Az.: VIII R 30/19) und des FG Nürnberg (Urteil vom 03.03.2021, 3 K 179/19, Revision eingelegt; Az.: VIII R 11/21)
Einsprüche, die sich auf die vorgenannten Revisionsverfahren beziehen, ruhen kraft Gesetzes, § 363 Abs. 2 Satz 2 AO; AdV ist nicht zu gewähren.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7