Leitsatz (amtlich)
1. Verletzt ein Ehegatte seine Verpflichtung, gemäß § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung der Ehegatten (§ 26 EStG) zuzustimmen, kann dem anderen Ehegatten ein Erstattungsanspruch aus § 816 Abs. 2 BGB bzw. ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB zustehen.
2. Die Frage, ob die Ehegatten nach der ab dem Veranlagungsjahr 2013 geltenden Regelung nach § 26 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 bis 3 EStG noch wirksam die Zusammenveranlagung wählen können, wenn der Steuerbescheid eines Ehegatten zur Einzelveranlagung bereits bestandskräftig ist, bedarf in dem auf Schadensersatz oder auf Erstattung gerichteten Verfahren keiner Entscheidung.
3. Für die Aufteilung einer Steuerschuld oder -erstattung ist das Verhältnis der Steuerbeträge im Fall einer fiktiven Einzelveranlagung gemäß §§ 268, 270 AO zugrunde zu legen. Dafür ist die festgesetzte Steuerschuld zum Quotienten aus der eigenen fiktiven Steuerschulden im Fall der Einzelveranlagung zu der Summe der fiktiven Steuerschulden beider Ehegatten im Fall ihrer Einzelveranlagung in Verhältnis zu setzen (vgl. BGH FamRZ 2006, 1178, 1179; BGH FamRZ 2017, 517, 522).
Verfahrensgang
AG Tostedt (Aktenzeichen 24 F 16/17) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners und die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin wird der am 17. Mai 2018 verkündete Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Tostedt unter Zurückweisung ihrer weitergehenden Rechtsmittel teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin 899,35 EUR für das Veranlagungsjahr 2013 sowie weitere 3.824,79 EUR für das Veranlagungsjahr 2014 jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. September 2017 zu zahlen.
Im Übrigen werden die Anträge der Antragstellerin abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
III. Dem Antragsgegner wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt xx in Düsseldorf zu den Bedingungen eines im Bezirk des Oberlandesgerichts Celle niedergelassenen Rechtsanwalts bewilligt.
IV. Der Gegenstandswert des Verfahrens erster und zweiter Instanz wird auf bis 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Ehe der Beteiligten ist seit dem Beschluss des Amtsgerichts W. vom 7. Februar 2017 rechtskräftig geschieden. Sie leben seit Mitte Februar 2014 voneinander dauerhaft getrennt. Die Beteiligten stritten in erster Instanz um die Verpflichtung des Antragsgegners, der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung für die Jahre 2013 und 2014 zuzustimmen, und um hierauf beruhende Erstattungs- und Schadensersatzansprüche der Antragstellerin.
Die Antragstellerin forderte den Antragsgegner am 11. September 2015 auf, der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung zuzustimmen. Am 22. Dezember 2015 erging gegen sie ein Steuerbescheid des Finanzamtes W. für das Jahr 2013, gegen den die Antragstellerin Einspruch erhoben hat.
Am 8. Januar 2016 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner erneut auf, der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung zuzustimmen.
Am 25. Mai 16 schlossen die Beteiligten eine von ihren jeweiligen Rechtsanwälten unterzeichnete Vereinbarung, wonach sich "Herr K. ... an der Erstellung der Steuererklärung von Frau R.-K. aktiv beteiligten und diese unterstützen [wird]". In dieser Vereinbarung haben die Beteiligten darüber hinaus geregelt, dass das gemeinsam von ihnen aufgenommene Darlehen bei der N. Sparkasse mit einer Restschuld von etwa 20.000 EUR von der Ehefrau allein getilgt wird gegen Zahlung eines Betrages des Ehemannes an sie von 4.000 EUR. Es bestand Einigkeit darüber, dass mit Durchführung dieser Zahlungen keine gegenseitigen Unterhaltsansprüche mehr bestehen.
Am 27. Mai 2016 schickte die Antragstellerin dem Antragsgegner die Steuererklärung für das Jahr 2013 auf der Basis einer gemeinsamen steuerlichen Veranlagung und bat ihn, diese zu unterschreiben und an das Finanzamt weiterzuleiten. Am 3. Juni 2016 sandte sie dem Antragsgegner die gemeinsame Steuererklärung für das Jahr 2014 und bat ihn, auch diese zu unterschreiben und dem Finanzamt vorzulegen. Schließlich forderte die Antragstellerin den Antragsgegner am 9. August 2017 nochmals auf, der gemeinsamen Veranlagung hinsichtlich der Steuerjahre 2013 und 2014 zuzustimmen.
Die Antragstellerin hat zunächst beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, gegenüber dem Finanzamt W. für die Veranlagungszeiträume 2013 und 2014 der Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer zuzustimmen, hilfsweise, ihn zu verurteilen, der Zusammenveranlagung Zug um Zug zuzustimmen gegen die Verpflichtung, ihn im Innenverhältnis so zu stellen, wie er bei getrennter steuerlicher Veranlagung stände.
Nachdem der Antragsgegner behauptet hat, dass ihm bereits rechtskräftige Steuerbescheid für die Jahre 2013 und 2014 vorliegen, hat die Antragstellerin dies bestritten und hilfsweise beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, an sie einen Schadensersatz für das Steuerjahr 2...