Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerrufsrecht des Verbrauchers bei einem außerhalb von Geschäftsräumen des Unternehmers geschlossenen Vertrag über den Einbau einer Heizungsanlage; Rückgewährverpflichtung nach wirksamem Widerruf
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Annahme eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrages gem. § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB kommt es nur auf den Ort des Vertragsschlusses an; ob eine Drucksituation bestand, eine Überrumpelung des Verbrauchers erfolgte oder ob der Verbraucher nicht in der Lage war, eine hinreichend fundierte Entscheidung zu treffen, ist unerheblich.
2. Im Falle des wirksamen Widerrufs sind die jeweils empfangenen Leistungen zurückzugewähren, §§ 355 Abs. 3 S. 1, 357 Abs. 1 BGB. Der Verbraucher, in dessen Haus nach dem Vertrag eine Heizungsanlage eingebaut wurde, erfüllt seine Rückgewährverpflichtung dadurch, dass er dem Unternehmer den Ausbau der Vertragsgegenstände ermöglicht und diese rückübereignet.
3. Hat der Unternehmer das vor dem Einbau der neuen Heizungsanlage ausgebaute Altgerät nicht als Vertragsleistung im Sinne der §§ 355 Abs. 3 S. 1, 357 Abs. 1 BGB von dem Verbraucher empfangen, muss er dem Verbraucher nach wirksamem Vertragswiderruf das Altgerät nicht nach diesen Vorschriften zurückgewähren.
Normenkette
BGB § 312b Abs. 1 Nr. 1, §§ 312g, 355 Abs. 3 S. 1, § 357 Abs. 1; EUV 83/2011
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 14.06.2021; Aktenzeichen 12 O 186/18) |
Tenor
Die Berufungen der Parteien gegen das am 14. Juni 2021 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover - 12 O 186/18 - werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 58 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 42 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.346,29 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien sind durch einen Vertrag über den Einbau einer neuen Wärmepumpe nebst Pufferspeicher im Wohnhaus der Beklagten miteinander verbunden. Mit seiner Klage begehrt der Kläger restlichen Werklohn, mit ihrer Widerklage erstreben die Beklagten die unbedingte Rückzahlung der bislang an den Kläger geleisteten Beträge. Die Parteien streiten im Wesentlichen um die Frage, ob der von den Beklagten erklärte Widerruf wirksam und der Vertrag deshalb rückabzuwickeln ist; zudem besteht Streit, ob die Beklagten die verbaute Anlage herausgeben bzw. den Ausbau gestatten müssen.
Das Landgericht hat mit am 14. Juni 2021 verkündeten Urteil, auf das gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen und der erstinstanzlichen Anträge Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen und den Kläger auf die Widerklage hin zur Rückzahlung verurteilt, allerdings nur Zug um Zug gegen den von den Beklagten zu ermöglichenden Ausbau der Wärmepumpe und des Speichers sowie Rückübereignung derselben. Zur Begründung führt das Landgericht im Wesentlichen Folgendes aus:
Die Beklagten hätten den Werkvertrag wirksam widerrufen. Ihnen habe ein Widerrufsrecht gemäß §§ 312b Abs. 1 Nr. 1, 312g Abs. 1, 355 BGB zugestanden. Nach dem Wortlaut der VerbrRRL komme es ausschließlich darauf an, dass ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag vorliege. Dies sei hier der Fall. Ob tatsächlich eine Überrumpelungssituation vorliege, sei nicht von Bedeutung; eine möglicherweise bestehende psychische Drucksituation sei hier indes nicht auszuschließen. Die Ausübung des Widerrufsrechts unterliege keiner Motivationskontrolle. Ein Fall unzulässiger Rechtsausübung oder Verwirkung liege hier nicht vor.
Der Kläger sei allerdings nur Zug um Zug gegen die Ermöglichung des Ausbaus des Speichers und der Wärmepumpe zur Rückzahlung der vereinnahmten Beträge verpflichtet. Die Beklagten würden zwar gemäß § 357 Abs. 8 BGB keinen Wertersatz schulden. Der Kläger sei allerdings gemäß § 357 Abs. 6 S. 3 BGB berechtigt und verpflichtet, die eingebauten Geräte und Materialien auszubauen und mitzunehmen. Die Beklagten seien aus § 357 Abs. 1 BGB verpflichtet, dies zu ermöglichen und die ausgebauten Teile rückzuübereignen; ihrer Ansicht, wegen § 357 Abs. 8 BGB seien die verbauten Geräte nicht zurückzugewähren, könne nicht gefolgt werden, und auch § 94 BGB stehe dem nicht entgegen. Zur Rückgewähr der ausgebauten Alt-Geräte bzw. Wertersatz sei der Kläger dagegen nicht verpflichtet, weil es sich bei den Alt-Geräten nicht um zurückzugewährende empfangene Leistungen im Sinne der §§ 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB handele.
Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit ihren Berufungen, mit denen sie ihr erstinstanzliches Begehren jeweils weiterverfolgen, soweit sie unterlegen gewesen sind: Der Kläger begehrt weiterhin restlichen Werklohn einschli...