Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterbrechung des selbstständigen Beweisverfahrens durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Unterbrechung des selbstständigen Beweisverfahrens durch die Verfahrenseröffnung tritt jedenfalls dann ein, wenn die Beweiserhebung zum Eröffnungszeitpunkt bereits beendet ist.

 

Normenkette

ZPO §§ 240, 494a; InsO § 85

 

Verfahrensgang

OLG Hamburg (Entscheidung vom 22.03.2000; Aktenzeichen 11 W 11/00)

 

Tatbestand

I.

Die sofortige Beschwerde des Insolvenzverwalters hat Erfolg. Das LG durfte keine Kostengrundentscheidung zu seinen Lasten treffen, da das Verfahren hinsichtlich der Gemeinschuldnerin, deren Vermögen er verwaltet, infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 240 ZPO unterbrochen ist (dazu Ziff. 1) und er nicht die Aufnahme des Verfahrens erklärt hat (dazu Ziff. 2).

Zu der Frage, ob ein selbstständiges Beweisverfahren durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens unterbrochen wird, werden in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten. Diejenigen, die eine Unterbrechungswirkung ablehnen, führen zur Begründung an, die Vorschriften über die Unterbrechung und Aussetzung stünden in Widerspruch zum Sinn und Zweck des selbstständigen Beweisverfahrens. Das selbstständige Beweisverfahren solle dem Antragsteller zum einen die Beweissicherung ermöglichen und habe zum anderen zum Ziel, Vorfragen in tatsächlicher Hinsicht rasch und kostengünstig zu klären, um einen sich anschließenden Rechtsstreit möglichst zu vermeiden. Dies würde durch eine Aussetzung oder Unterbrechung unmöglich gemacht. I.Ü. würden durch die Fortführung des Verfahrens die berechtigten Interessen des Insolvenzverwalters sowie die von ihm zu wahrenden Gläubigerinteressen nicht beeinträchtigt. Da das selbstständige Beweisverfahren nicht zu einer streitigen Entscheidung führe, werde der Gemeinschuldner als Antragsgegner weder durch eine ungünstige Sach- noch eine Kostenentscheidung unmittelbar belastet (vgl. OLG Hamm, WiB 1997, 924 f.; a.A. OLG Hamburg, ZInsO 2001 132 [OLG Hamburg 22.03.2000 – 11 W 11/00] m.N. zum Meinungsstand).

Nach Auffassung des Senates bedarf es im vorliegenden Fall keiner abschließenden Entscheidung darüber, ob ein selbstständiges Beweisverfahren durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei generell unterbrochen wird oder nicht. Eine Unterbrechung tritt aber jedenfalls dann ein, wenn die Beweiserhebung zum Eröffnungszeitpunkt bereits beendet ist. Eine Beeinträchtigung von Sinn und Zweck des selbstständigen Beweisverfahrens ist in diesem Verfahrensstadium nämlich ausgeschlossen.

Für eine Unterbrechung nach § 240 ZPO spricht ferner, dass es bei der „Fortsetzung” des Verfahrens nach § 494a ZPO „nur noch” darum geht, die angefallenen Verfahrenskosten einer angemessenen Regelung zuzuführen. Erhebt der Antragsteller fristgemäß Klage, wird im Rahmen dieses Rechtsstreits auch darüber entschieden, wer die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens zu tragen hat. Kommt er der Anordnung nicht nach, hat das Gericht auf Antrag des Gegners hin auszusprechen, dass er dessen Kosten zu tragen hat. Die Entscheidung des Antragstellers hat damit unmittelbar Auswirkungen auf sein Vermögen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sollen aber vermögensbezogene Entscheidungen nicht mehr vom Gemeinschuldner, sondern vom Insolvenzverwalter getroffen werden, dem die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zusteht.

I.Ü. entspricht es allg. M., dass § 240 ZPO nicht nur im Urteilsverfahren mit freigestellter mündlicher Verhandlung anzuwenden ist, sondern auch in anderen Verfahren mit freigestellter mündlicher Verhandlung, sofern es die durch den Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis vom Gemeinschuldner auf dem Insolvenzverwalter geschaffene Interessenlage gebietet.

Schließlich ist auch die weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 240 ZPO erfüllt, wonach die in dem Verfahren geltend gemachten Ansprüche die Insolvenzmasse betreffen müssen. Zwar wird durch das selbstständige Beweisverfahren kein Vermögensgegenstand „zur Masse gezogen". Es soll aber ein Rechtsstreit über ein zur Masse gehörendes Recht vorbereitet werden. Das ist ausreichend (vgl. MünchKomm/Feiber, ZPO, § 240 Rn. 20). Außerdem bezieht sich jedenfalls der Kostenantrag des Antragsgegners nach § 494a ZPO auf eine die Masse betreffende Forderung.

2.

Die Unterbrechung des Verfahrens hat zur Folge, dass der Insolvenzverwalter nur hinsichtlich der Kosten in Anspruch genommen kann, wenn er das Verfahren nach § 85 InsO wirksam aufgenommen hat. Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

Die Auffassung des LG, dass es einer Aufnahmeerklärung nicht bedurft habe, weil der Antragsteller zu 1. ohne weiteres an Stelle der Gemeinschuldnerin als Insolvenzverwalter kraft Amtes Partei geworden sei, ist nicht zutreffend. Da das Verfahren – wie dargelegt – unterbrochen wurde, wäre eine Aufnahme des Rechtsstreits durch den Insolvenzverwalter erforderlich gewesen. I.Ü. wäre er aber auch dann nicht Partei ge...

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