Leitsatz (amtlich)
1. Ein dringender Fall im Sinne von § 29 BGB liegt vor, wenn ohne die Bestellung eines Notgeschäftsführers der juristischen Person oder einem Beteiligten - und dazu gehören auch Gläubiger der Gesellschaft - Schaden droht, wozu die Beeinträchtigung jeglicher Rechtsposition ausreicht.
2. Ob die Möglichkeit, nach § 57 ZPO einen Prozesspfleger bestellen zu lassen, die Dringlichkeit beseitigt, bleibt offen.
3. Bei der Dringlichkeitsprüfung ist auch zu berücksichtigen, wenn die Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 Abs. 1 FamFG zu erwarten ist.
Normenkette
BGB §§ 29, 48 Abs. 2; FamFG § 394 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Düsseldorf (Aktenzeichen HRB 90376) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten gegen den ihren Antrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführers zurückweisenden Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 15. Juni 2023 (Erlassdatum) wird zurückgewiesen.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 60.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die betroffene Gesellschaft firmierte zuvor als ...-BAU ... GmbH. Ihr alleiniger Geschäftsführer und einziger Gesellschafter verstarb im Juni 2020; weder rückten neue Gesellschafter nach, noch wurde ein neuer Geschäftsführer bestellt. Ab März 2021 betrieb das hiesige Registergericht ein Verfahren auf Löschung der GmbH wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 FamFG; dies traf auf den Widerspruch mehrerer Gläubiger, woraufhin dem Verfahren zunächst kein Fortgang gegeben wurde. Auf der Grundlage eines im Insolvenzeröffnungsverfahren eingeholten Gutachtens wurden mit am 24. März 2023 rechtskräftig gewordenem Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 3. März 2023 zwei Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der betroffenen Gesellschaft mangels Masse abgewiesen.
Unter dem 7. Dezember 2022 hat die Beteiligte auf Bestellung eines Notgeschäftsführers, befristet für die Dauer von vier Wochen, angetragen und hierzu geltend gemacht:
Sie als Auftraggeberin habe mit der betroffenen Gesellschaft als Auftragnehmerin 2014 einen Generalunternehmervertrag über die Errichtung einer Wohnanlage geschlossen. In dessen Rahmen habe sie 2016 vertragsgemäß zugunsten der betroffenen Gesellschaft die Bürgschaft einer Sparkasse gemäß (seinerzeit) § 648a BGB gestellt; für alle Forderungen der Bürgin gegen sie aus dem Aval habe sie der Sparkasse das Guthaben auf einem Termingeldkonto von ursprünglich gerundet 144.000 EUR, heute noch rund 125.000 EUR verpfändet. Gesicherte Ansprüche der betroffenen Gesellschaft aus dem Generalunternehmerverhältnis gebe es nicht mehr, und solche könnten in durchsetzbarer, insbesondere unverjährter Form auch nicht mehr zutage treten. Die Bürgin verweigere indes die Ausbuchung des Avalkredits und die Freigabe des verpfändeten Guthabens, wenn nicht die vertraglichen Voraussetzungen der Rückgabe der Bürgschaftsurkunde oder der eindeutigen rechtsgeschäftlichen Entlassung aus der Haftung durch die Bürgschaftsgläubigerin vorlägen. Den Guthabenbetrag benötige sie (die Beteiligte) dringend, um die Durchführung von Gewährleistungsarbeiten an dem Bauvorhaben finanzieren zu können. Auf Rückgabe, hilfsweise Entlassungserklärung, habe sie die betroffene Gesellschaft außergerichtlich in Anspruch zu nehmen versucht, jedoch erfolglos. Zur Beseitigung der Führungslosigkeit der betroffenen GmbH und zur Wiederherstellung ihrer Erreichbarkeit für die vorbezeichneten Anliegen sei die Bestellung eines Notgeschäftsführers erforderlich. Die hierfür vorgeschlagene Person habe sich zur Übernahme für vier Wochen bereit erklärt.
Daraufhin hat das Amtsgericht - Rechtspflegerin - der Beteiligten mit Schreiben vom 9. Mai 2023 unter anderem mitgeteilt, im Hinblick auf den Abweisungsbeschluss des Insolvenzgerichts werde die Einleitung/Wiederaufnahme des Amtslöschungsverfahrens erneut geprüft.
Nach der Bitte der Beteiligten um rechtsmittelfähige Entscheidung hat das Gericht ihren Bestellungsantrag alsdann durch die angefochtene Entscheidung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beteiligte mit ihrem jedenfalls am 13. Juli 2023 bei Gericht eingegangenen Rechtsmittel, dem das Amtsgericht mit weiterem Beschluss vom 31. Juli 2023 - unter Vorlage der Sache an das Oberlandesgericht Düsseldorf als Beschwerdegericht - nicht abgeholfen hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Registerakte Bezug genommen.
II. Das Rechtsmittel der Beteiligten, die sich in der Sache einer Gläubigerstellung berühmt, ist als befristete Beschwerde nach §§ 58 ff FamFG statthaft und insgesamt zulässig, insbesondere ist die Beteiligte antrags- (statt aller: BeckOK BGB - Schöpflin, Stand: 01.08.2023, § 29 Rdnr. 7 m.w.Nachw.) und daher gemäß § 59 Abs. 2 FamFG auch beschwerdebefugt. Nach der vom Amtsgericht erklärten Nichtabhilfe ist die Beschwerde dem Senat zur Entscheidung angefallen (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 1 FamFG).
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel jedoch als unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht von der Bestellung eines Notorgans abgesehen.
1. Gemäß ...