Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzverwalter. Widerspruchsrecht. Konkludente Genehmigung von Lastschriften im Kontokorrentverhältnis. Voraussetzungen für die Genehmigung von Lastschriften durch den späteren Insolvenzschuldner

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Widerruf von Lastschriften durch den Insolvenzverwalter bleibt ohne Wirkung, soweit zuvor Lastschriftbuchungen von dem Insolvenzschuldner genehmigt worden sind.

2. Regelmäßig wiederkehrende Lastschriften aus laufenden Geschäftsbeziehungen werden durch den Schuldner nach Ablauf einer im Geschäftsverkehr üblichen Prüf- und Überlegungsfrist konkludent genehmigt, wenn sich die Lastschriftbuchungen im Rahmen der bereits genehmigten Lastschriftabbuchungen bewegen und sich nicht wesentlich von vorher genehmigten Lastschriften unterscheiden.

Werden laufende Forderungen in unterschiedlicher Höhe eingezogen, so kommt es darauf an, ob die Lastschriften sich innerhalb der Schwankungsbreite von bereits zuvor genehmigten Lastschriftbuchungen bewegen oder diese nicht wesentlich über- oder unterschreiten.

 

Normenkette

BGB; BGB § 684 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 15.12.2011; Aktenzeichen 3-04 O 126/10)

BGH (Urteil vom 27.09.2011; Aktenzeichen XI ZR 328/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15. Dezember 2011 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 2. Februar 2012 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 346.289,65 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte 95% und die Klägerin 5% zu tragen. Von den Kosten der Streithilfe hat die Klägerin 5% zu tragen; im Übrigen tragen die Streithelfer ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des aus dem Urteil zu vollstreckendenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I. Die Klägerin (Gläubigerin) nimmt die beklagte Bank als Rechtsnachfolgerin der Gläubiger- und Schuldnerbank auf Zahlung von Lastschriftbeträgen in Anspruch, die sie im Wege der Einzugsermächtigungslastschrift vom Konto der inzwischen insolventen A GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) eingezogen hatte und die nach einem Widerspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters (Streithelfer zu 1.) dem Schuldnerkonto wieder gutgeschrieben und ihr – der Klägerin – rückbelastet wurden.

Die Klägerin vertreibt Beton-Fertigteile, die die Schuldnerin – ein Bauunternehmen – für verschiedene Bauvorhaben bezog.

Die Schuldnerin unterhielt bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten ein Girokonto. Die Klägerin belastete dieses Girokonto zwischen dem 24. Juni 2009 und dem 29. Juli 2009 mit 24 Einzugsermächtigungslastschriften in der Gesamthöhe von 400.338,59 EUR (vgl. Bl. 3 f. d.A. und Anlage K1, Bl. 15 bis 37 d.A.). Die eingezogenen Beträge schwankten dabei in der Höhe zwischen 1.705,17 EUR und 63.299,05 EUR.

Nach Ziffer 7 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Rechtsvorgängerin der Beklagten galten Belastungsbuchungen aus Einzugsermächtigungslastschriften als genehmigt, wenn die Schuldnerin diesen nicht binnen sechs Wochen nach Erteilung des Rechnungsabschlusses widerspricht. Zwischen der Schuldnerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten war zudem ein monatlicher Rechnungsabschluss vereinbart. Der Rechnungsabschluss für Juni 2009 ging bei der Schuldnerin am 1. Juli 2009 ein, der Rechnungsabschluss für Juli 2009 am 3. August 2009.

Am 10. August 2009 stellte die Schuldnerin Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 11. August 2009 wurde der Streithelfer zu 1.) zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt (Anlage K2, Bl. 39 d.A.). Unter dem 12. August 2009 widerrief der Streithelfer zu 1.) gegenüber der Beklagten schriftlich „Daueraufträge, Lastschrift- Einzugs- und Abbuchungsermächtigungen” auch für Vorgänge in der Vergangenheit, soweit zulässig. Er verwies in dem Schreiben auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 4. November 2004 (IX ZR 22/03, ZinsO 2004, 1343 – richtig 1353), das den pauschalen Widerruf aller Lastschriften und Einzüge für zulässig erachte (vgl. Anlage B1, Bl. 75 d.A.).

Auf Nachfrage der Beklagten konkretisierte der Streithelfer zu 1.) mit Schreiben vom 29. September 2009 den Widerruf hinsichtlich des Zeitraums auf den 22. Juni 2009 bis 7. August 2009 (vgl. Anlage B2, Bl. 77 d.A.).

Am 9. Oktober 2009 schrieb die Beklagte die Lastschriften der Klägerin für den Zeitraum vom 24. Juni bis 29. Juli 2009 in der Gesamthöhe von 400.338,59 EUR dem Konto der Schuldnerin wieder gut und...

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