Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an einen ernsthaften Sanierungsversuch
Leitsatz (amtlich)
Für die Frage der rechtlichen Umsetzbarkeit eines Sanierungskonzeptes kommt es auf die tatsächlichen Umstände an, mithin auf die Rechtsansicht der zuständigen Gerichte.
Normenkette
InsO § 133
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.04.2015; Aktenzeichen 2-19 O 37/14) |
BGH (Aktenzeichen IX ZR 261/16) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 21.4.2015 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des LG Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Rückgewähr eines aus dem Vermögen der Schuldnerin vereinnahmten Betrages in Höhe der Klageforderung nach dem Insolvenzanfechtungsrecht.
Kläger ist Rechtsanwalt A als Insolvenzverwalter über das Vermögen der B, die mittlerweile als C i. L. firmiert; die Beklagte ist eine Investmentbank, die als Finanzberaterin der Schuldnerin tätig war und deren gescheiterten Restrukturierungsversuch koordinierte. Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 378 - 388, 395a - 395c d.A.).
Der Sachverhalt ist lediglich dahingehend zu ergänzen, dass die Beklagte vorträgt, dass selbst wenn sie die gerichtliche Verfügung des Oberlandesgerichts vom 15.12.2011 (Anlage TW 20) gekannt hätte, sie daraus lediglich eine vage Einschätzung des Senates hätte entnehmen können.
Das LG hat der Klage vollumfänglich stattgegeben (Bl. 377 - 395c d.A.).
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Voraussetzungen des anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs nach § 133 Abs. 1 InsO hinsichtlich der gezahlten Honorare in der Zeit vom 24.01 - 30.3.2012 gegeben seien. Insbesondere sei der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin nicht dadurch entfallen, dass sie von einem wirksamen Sanierungskonzept ausgegangen sei. Denn zum Zeitpunkt der angefochtenen Handlungen habe kein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorgelegen, das zumindest in Anfängen schon in die Tat umgesetzt worden sei.
Gegen dieses der Beklagten am 29.4.2015 zugestellte Urteil (Bl. 407 d.A.) hat sie am 28.5.2015 Berufung eingelegt (Bl. 438 d.A.) und dieses Rechtsmittel nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 29.7.2015 (Bl. 443 d.A.) an diesem Tage begründet (Bl. 447 ff. d.A.).
Die Beklagte verfolgt mit der Berufung ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Zunächst begründet sie die Berufung damit, dass das LG den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz aus dem Indiz der Kenntnis der Schuldnerin von der angeblich drohenden Zahlungsunfähigkeit zu dem Zeitpunkt der streitigen Zahlung hergeleitet habe, obwohl der Vorstand zu dem Zeitpunkt der streitigen Zahlung keine Kenntnis von dem Vorliegen eines Insolvenzgrundes gehabt habe. Es sei anerkannt, dass es aus Sicht der organschaftlichen Vertreter einer juristischen Person an der Erkennbarkeit des Insolvenzeintritts fehle, wenn sich das Organ mangels eigener Sachkunde zur Klärung der Insolvenzreife den Rat eines unabhängigen, fachlich qualifizierten Berufsträgers einhole und dieser, ordnungsgemäß und vollständig informiert, die Insolvenzreife im Ergebnis plausibel verneine. Hier hätten die Rechtsanwaltskanzleien D und E das Fortbestehen der positiven Fortführungsprognose in einem regelmäßigen Rhythmus von 2 Wochen überprüft. Nach der Prüfung von D sei vorliegend die positive Fortführungsprognose jedoch erst mit Erlass des Beschlusses der Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 27.3.2012 im Verfahren der G AG weggefallen.
Da aus Sicht des Vorstandes der Schuldnerin zu dem Zeitpunkt der streitigen Zahlungen eine positive Fortführungsprognose bestanden habe, habe auch nicht die Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 18 InsO gedroht. Aufgrund des entwickelten Sanierungskonzepts sei es aus der Sicht des Vorstandes der Schuldnerin nicht überwiegend wahrscheinlich gewesen, dass die Schuldnerin zukünftig nicht in der Lage sein würde, ihre fälligen Verbindlichkeiten zu bedienen.
Zudem ist die Beklagte der Meinung, dass allein die Kenntnis von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit nicht genüge, um hiervon rechtssicher auf einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz schließen zu können. Dies sei allenfalls ein Indiz, das in einer Gesamtschau mit allen anderen vorliegenden Indizien zu würdigen sei.
Dabei habe das LG das Bestehen eines ernsthaften Sanierungsversuches nicht hinreichend als positives Indiz gewürdigt, weil es die Anforderungen an einen ernsthaften Sanierungsversuch überspannt h...