Leitsatz (amtlich)
Gelangen im Herstellungsprozess Fremdkörper in ein Fruchtgummi, die beim Biss auf die Kaumasse einen Zahnschaden verursachen, haftet der Hersteller das fehlerhaft hergestellte Produkt nach §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 1, 8 ProdHaftG.
Normenkette
ProdHaftG §§ 1, 4, 8
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 26.04.2012; Aktenzeichen 2 O 176/10) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 26.4.2012 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Bielefeld (Az. 2 O 176/10) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld i.H.v. 2.000 EUR zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die ihm aufgrund der Überkronung seiner Zähne 25 und 26 entstandenen Kosten zu ersetzen.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger 73 % und die Beklagte 27 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte, die Süßwaren herstellt und vertreibt, auf Schadensersatz wegen einer Verletzung seiner Zähne durch ein von der Beklagten hergestelltes fehlerhaftes Produkt in Anspruch.
Der Kläger war Mitarbeiter eines Vereins für Jugendarbeit. Er nahm am 26.9.2009 an einem Sommerfest dieses Vereins in den K teil. Zwischen den Parteien ist streitig, ob und ggf. in welcher Art und Weise der Kläger im Rahmen dieses Festes die von ihm behauptete Zahnverletzung erlitten hat.
Am 28.9.2009 begab sich der Kläger in zahnärztliche Behandlung bei dem Zahnarzt Dr. G in C. Dieser stellte bei der Untersuchung des Klägers fest, dass an den bereits gefüllten Zähnen 25 und 26 sowohl jeweils ein Stück Zahn als auch ein Stück Füllung fehlten. Die Zähne wurden im Rahmen dieser zahnärztlichen Behandlung mit entsprechend größeren Füllungen neu versorgt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Untersuchung wird auf die Ausführungen des Herrn Dr. G hierzu in seinem zur Gerichtsakte gereichten schriftlichen Bericht vom 13.10.2009 (Bl. 7 d.A.) Bezug genommen. Zu einem späteren Zeitpunkt - nach Klageerhebung - wurden die beiden Zähne auf entsprechenden Rat des Herrn Dr. G zusätzlich überkront.
Der Kläger hat behauptet, dass er bei dem Sommerfest ein von der Beklagten hergestelltes Fruchtgummi des Typs "große Cola-Flasche" habe verzehren wollen. Diese Cola-Flasche habe er aus einer herumgereichten Big-Box entnommen und in den Mund gesteckt. Beim Kauen des Fruchtgummis habe er ein Knacken seiner Zähne gehört und einen starken Schmerz verspürt. Daraufhin habe er die Cola-Flasche unverzüglich ausgespuckt. Bei genauerer Betrachtung des ausgespuckten Fruchtgummirestes habe er festgestellt, dass dieser ein Stück von einem Stein enthalten habe. Ferner habe er bemerkt, dass er auf ein weiteres Stück von einem Steinchen gebissen habe, was zu den Schmerzen geführt habe. Aufgrund des Bisses auf den Stein sei es zu den Verletzungen an seinen Zähnen 25 und 26 gekommen. Er habe unter erheblichen Schmerzen an den Zähnen gelitten. Auch die zahnärztliche Behandlung sei mit Schmerzen verbunden gewesen. Überdies leide er auch psychisch unter den Folgen dieses Erlebnisses. Er habe Angst, sich bei dem Verspeisen vergleichbarer Süßigkeiten erneut zu verletzen. Deshalb sei ihm ein unbeschwertes Genießen von entsprechenden Produkten nicht mehr möglich. Dies begründe für ihn einen Verlust an Lebensqualität.
Der Kläger hat eine Fruchtgummimasse sowie einen kleinen spitzen Partikel zur Gerichtsakte gereicht und dazu behauptet, dass es sich hierbei um den von ihm ausgespuckten Fruchtgummirest sowie um das Steinchen handle, auf das er gebissen habe.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld i.H.v. mindestens 10.000 EUR zu zahlen und
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die durch dieÜberkronung der Zähne 25 und 26 entstandenen Kosten zu ersetzen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat bestritten, dass sich in der auf dem Sommerfest herumgereichten Big-Box Fruchtgummis aus ihrer Herstellung befunden hätten. Sie hat ferner behauptet, dass bei ihr noch nie reklamiert worden sei, dass ein Stein in einer Packung mit den von ihr hergestellten Fruchtgummis gefunden worden sei. Ihr Produktionsablauf sei so gestaltet, dass mit allergrößter Sicherheit keine Fremdkörper in das Produkt bzw. in die Verpackung gelangen könnten. Die bei dem Produktionsbetrieb verwendeten Siebe seien mit einer Körnung von 0,6 mm so fein, dass es unmöglich sei, dass ein Stein in der vom Kläger behaupteten Größe nach der Verflüssigung der Zutaten für das Fruchtgummi in den Kocher und dann in das gegossene Fruchtgummi geraten könne. Dies sei auch deshalb ausgeschlossen, weil die fertig gekochte Fruchtgummimasse durch klein ausgelegte Düsen, die wegen ihres geringen Durchmessers einen Stein in der vom Kläger behaupteten Größe aufhalten würden...