Leitsatz (amtlich)
1. Der Herausgabeanspruch nach § 528 Abs. 1 BGB ist einerseits durch den Wert der empfangenen Leistung, andererseits durch den jeweiligen Bedarf des verarmten Schenkers begrenzt.
2. Ist ein fortlaufender Unterhaltsbedarf des Schenkers zu decken, ist der Anspruch auf wiederkehrende (Geld-)Leistungen des Beschenkten in einer dem angemessenen Bedarf entsprechenden Höhe bis zur Erschöpfung des Gegenstands der Schenkung gerichtet.
3. Jedoch haftet jeder Beschenkte nur in den Grenzen der von ihm erhaltenen Zuwendung, im Streitfall also nur bis zur Höhe seiner Bereicherung durch den geschenkten hälftigen Miteigentumsanteil.
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Aktenzeichen 2 O 125/18) |
Tenor
1. Die Berufungen der Beklagten zu 1 und zu 2 gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 29.01.2021, Az. 2 O 125/18, werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 2 des Tenors wie folgt gefasst wird:
Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, den vom Kläger für die Zeit ab Juli 2020 zu erbringenden sozialhilferechtlichen Aufwand für T. H., geboren am, wohnhaft derzeit im Anwesen S., N. über den unter Ziffer 1 bezifferten Betrag hinaus bis zu einem Gesamtbetrag in Höhe von insgesamt EUR 230.000,00 an diesen zu erstatten, wobei der Kläger von jedem der Beklagten höchstens EUR 115.000,00 gesamtschuldnerisch verlangen kann.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
3. Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der klagende L. macht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner Ansprüche auf Rückforderung einer Schenkung wegen Verarmung des Schenkers aus übergeleitetem Recht geltend.
Die Beklagten sind die Söhne des am geborenen T. H. Der Vater lebt seit jedenfalls 2014 dauerhaft in einem Pflegeheim. Er ist - wie mittlerweile auch der Beklagte zu 1 - an Chorea Huntington erkrankt. Er erteilte seinen beiden Söhnen eine Vorsorgevollmacht (Vollmacht vom 08.09.2007, Anlage K 20).
Mit notariellem Übergabevertrag vom 15.04.2015 übertrug der Vater der Beklagten diesen das zuvor in seinem Alleineigentum stehende Hausgrundstück mit der Flurstücknummer 2932, eingetragen im Grundbuch von F., Blatt Nr. 181, jeweils zur Hälfte - nach dem Wortlaut des § 2 des Übergabevertrages - unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Die Übergabe erfolgte lastenfrei mit Ausnahme der in Abteilung II Nr. 1 eingetragenen persönlichen Dienstbarkeit. In § 6 haben sich die Beklagten verpflichtet, im Rahmen ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit für den Unterhalt des Vaters im Falle dessen Bedürftigkeit aufzukommen, so dass er nicht Sozialhilfe beanspruchen muss. Unter § 10 - Belehrungen - findet sich auch eine Belehrung darüber, dass bei Verarmung des Veräußerers ein gesetzliches Rückforderungsrecht bestehen kann. Der Wert des Anwesens wurde für die Schenkungssteuer mit EUR 230.000,00 angegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Übergabevertrages wird auf die als Anlage K 4 hereingereichte Kopie desselben Bezug genommen. In der Folge wurden die Beklagten im Grundbuch eingetragen.
Unter dem 16.08.2016 beantragte der Beklagte zu 2 für seinen Vater beim zuständigen Träger der Sozialhilfe die Übernahme der nicht gedeckten Heimkosten (Anlage K 1).
Der Kläger lehnte den Antrag mit Bescheid vom 09.09.2016 unter Hinweis darauf, dass unabhängig von etwaigen Schenkungsrückforderungsansprüchen das Vermögen des Vaters das Schonvermögen derzeit noch übersteige, ab (Anlage K 3). Auf den mit Anwaltsschreiben vom 10.10.2016 eingelegten Widerspruch (Anlage K 5) wies der Kläger mit Schreiben vom 20.10.2016 (Anlage K 6) nochmals darauf hin, dass im Fall der Bewilligung von Sozialhilfe der Schenkungsrückforderungsanspruch nach § 93 SGB XII auf den Träger der Sozialhilfe übergeleitet und entsprechend geltend gemacht werde. Mit Bescheid vom 15.12.2016 bewilligte der Kläger dem Vater der Beklagten Leistungen zur Hilfe zur Pflege nach § 61 SGB XII dahingehend, dass die für den Vater entstehenden Heimunterbringungskosten in Höhe des genehmigten Pflegesatzes abzüglich der Leistungen der Pflegekasse sowie der eigenen Einkünfte aus Sozialhilfemitteln übernommen werden, solange Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII besteht. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 15.12.2016 Bezug genommen (Anlage K 7).
Durch notariellen Kaufvertrag vom 21.11.2016 verkaufte der Beklagte zu 1 dem Beklagten zu 2 die Miteigentumshälfte des zuvor gemeinschaftlich erworbenen Grundstücks im A. zu einem Preis von EUR 85.000,00 (vgl. Anlagenheft Beklagter zu 2, AS 1 ff.).
Mit Bescheiden vom 17.02.2017 (Anlage K 8 und K 9) leitete der Kläger die Schenkungsrückforderungsansprüche des Vaters der Beklagten wegen Verarmung (§ 528 BGB) gemäß § 93 SGB XII bis zur Höh...