Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Strafbarkeit der Beteiligung an einem sog. Umsatzsteuerkarussell
Leitsatz (amtlich)
Wird die Umsatzsteuervoranmeldung durch einen Steuerberater beim Finanzamt eingereicht, bedarf es näherer Feststellungen zur Rollenverteilung zwischen Auftraggeeber und Steuerberater und zu dessen Kenntnisstand, ohne die eine rechtliche Beurteilung der Beteiligung des Steuerpflichtigen bzw. der für ihn handelnden Organe (hier: Vorstand einer GmbH) nicht möglich ist.
Normenkette
AO § 370 Abs. 1 Nrn. 1-2, Abs. 2, 4 S. 1; UStG § 3a Abs. 4 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Baden-Baden (Entscheidung vom 21.05.2014; Aktenzeichen 5 Ns 616 Js 9005/10) |
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 21. Mai 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Baden-Baden zurückverwiesen.
Gründe
I.
In der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Mannheim vom 29.01.2011 wurde dem Angeklagten vorgeworfen, er habe als Geschäftsführer der in Baden-Baden ansässigen Tradewinds X. GmbH am 23.12.2009 über die Henn Treuhand- und Steuerberatungsgesellschaft mbH beim Finanzamt Baden-Baden die Umsatzsteuervoranmeldung für den Voranmeldungszeitraum November 2009 einreichen lassen. Die darin vorgenommene Geltendmachung von Vorsteuerbeträgen aus Leistungen an die gleichfalls in Baden-Baden ansässige Tradewell Y. GmbH, für die der Angeklagte Prokura hatte, sei zu Unrecht erfolgt, weil die zugrundeliegenden Umsatzgeschäfte mit Wissen und Wollen aller Beteiligter lediglich auf die Hinterziehung von Umsatzsteuer gerichtet gewesen seien.
Das Amtsgericht Baden-Baden sprach den Angeklagten mit Urteil vom 23.01.2013 aus tatsächlichen Gründen frei, weil es sich von einem vorsätzlichen Handeln des Angeklagten nicht überzeugen konnte. Die von der Staatsanwaltschaft eingelegte Berufung verwarf das Landgericht Baden-Baden mit Urteil vom 21.05.2014.
Nach den im Urteil getroffenen Feststellungen war der Angeklagte auf das Betreiben von Hintermännern an der im Abstand von wenigen Tagen (21. bzw. 28.08.2009) erfolgten Gründung zweier Gesellschaften - der Tradewinds X. GmbH und der Tradewell Y. GmbH - beteiligt, wobei der Angeklagte Geschäftsführer der Tradewinds X. GmbH wurde und für die Tradewell Y. GmbH Prokura erhielt. Über diese beiden Firmen wurden vor allem im November 2009 Geschäfte mit Emissionszertifikaten abgewickelt, wobei sich die dafür von der Tradewinds X. GmbH an die Tradewell Y. GmbH gezahlte Umsatzsteuer auf etwas mehr als eine Million Euro belief. Der Angeklagte war in die Abwicklung dergestalt eingebunden, dass er Kontakte zu eventuellen Abnehmern aufnahm und Überweisungen für die Tradewell Y. GmbH ins Ausland veranlasste. Dagegen war er an den eigentlichen Umsatzgeschäften nicht beteiligt. Am 23.12.2009 wurde beim Finanzamt Baden-Baden durch den Steuerberater die Umsatzsteuervoranmeldung der Tradewinds X. GmbH für November 2009 eingereicht, in der die Vorsteuer geltend gemacht war, so dass sich ein Erstattungsanspruch zugunsten der Tradewinds X. GmbH ergab. Der Erklärung war ein Begleitschreiben des Steuerberaters beigefügt, in dem darauf hingewiesen wurde, dass mit einer Entrichtung der Umsatzsteuer nicht zu rechnen sei. Die Geltendmachung von Vorsteuern wurde vom Finanzamt nicht zugelassen.
Mit der form- und fristgerecht eingelegten Revision der Staatsanwaltschaft, die auch von der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vertreten wird, wird die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet.
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg, weil das angefochtene Urteil lückenhaft und unklar ist und dies zur umfassenden Urteilsaufhebung führt. Auf die daneben erhobenen Verfahrensrügen kommt es danach nicht mehr an.
1. Spricht das Gericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist diese tatrichterliche Entscheidung in der Regel vom Revisionsgericht hinzunehmen. Denn die Würdigung der Beweise ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO), dessen Schlussfolgerungen nicht zwingend, sondern nur möglich sein müssen (BGHSt 21, 149, 151; 29, 18, 20; NStZ 2013, 180). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn das Urteil widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Die Beweise sind dabei erschöpfend zu würdigen. Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich zudem ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung e...