Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtbarkeit der Herstellung einer Aufrechnungslage in der Insolvenz des Gläubigers einer Forderung
Normenkette
InsO § 130 Abs. 1, § 142
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24. Juni 2003 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn – 11 O 151/01 – teilweise geändert und unter Berücksichtigung des Teilbeschlusses des Senats vom 3. März 2004 – 2 U 118/03 –, der Schlussurteile des Senats vom 9. Juni 2004 und vom 16. Mai 2007 – 2 U 118/03 –, des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Oktober 2004 – 1 BvR 786/04 – sowie der Urteile des Bundesgerichtshofs vom 23. November 2006 – IX ZR 141/04 – und vom 11. Februar 2010 – IX ZR 104/07 – insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 17.516.283,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 12.741.174,50 EUR für die Zeit vom 15. Juni 2001 bis zum 12. März 2004, aus weiteren 2.172.714,99 EUR für die Zeit vom 12. Juni 2001 bis zum 12. März 2004, aus weiteren 1.464.191,21 EUR für die Zeit vom 21. Juni 2001 bis zum 12. März 2004 sowie aus weiteren 1.138.203,25 EUR für die Zeit vom 12. Juli 2001 bis zum 12. März 2004 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, soweit der Kläger von der Beklagten die Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 17.516.283,96 EUR für die Zeit ab dem 13. März 2004 beansprucht hat.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des gesamten Rechtsstreits einschließlich des Berufungsverfahrens sowie der beiden Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof – IX ZR 141/04 und IX ZR 104/07 – werden der Beklagten auferlegt.
Dieses Urteil ist wegen der Kostenentscheidung sowie der Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 7.248.079,94 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vom 15. Juni 2001 bis zum 12. März 2004 vorläufig vollstreckbar. Im übrigen ist die Verurteilung der Beklagten bereits rechtskräftig.
Der Beklagten wird das Recht eingeräumt, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vorläufig vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Tatbestand
(Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO)
I.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der U AG (im Folgenden: Schuldnerin) und begehrt von der Beklagten Zahlung in Höhe von 17.516.283,96 EUR auf der Grundlage eines zwischen ihr und der Schuldnerin am 10./15. Juli 1998 geschlossenen Fakturierungs- und Inkassovertrags (vgl. Anlage K 1 zur Klageschrift vom 15. Mai 2001).
Die Beklagte erbringt Dienstleistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation. Die Schuldnerin bot ebenfalls die Möglichkeit an, Telefongespräche zu führen. Durch den oben genannten Fakturierungs- und Inkassovertrag war die Beklagte verpflichtet, die ihr von der Schuldnerin gemeldeten Kommunikationsfälle den Kunden der Schuldnerin in Rechnung zu stellen, das Entgelt zu kassieren und den Erlös an die Schuldnerin abzuführen. Aus dem Abrechnungszeitraum vom 13. Februar bis 31. Mai 2001 stehen insoweit unstreitig Forderungen der Schuldnerin gegen die Beklagte in Höhe von 34.258.873,65 DM (=17.516.283,96 EUR)aus Telefongesprächen aus „Call-by-Call-Verfahren” offen. Dieser Betrag setzt sich aus acht Teilforderungen zusammen:
Rechnung vom 28. Februar 2001: 6.483.492,30 DM
Rechnung vom 21. März 2001: 7.692.519,88 DM
Rechnung vom 2. April 2001: 10.743.559,15 DM
(soweit in dem angegriffenen Urteil als Rechnungsdatum
der 30. März angeführt wird, handelt es sich um ein
offensichtliches Versehen, wie sich aus der Anlage K 4 c zurKlageschrift ergibt).
Rechnung vom 19.04.2001: 2.966.273,83 DM
Rechnung vom 7.05.2001: 1.283.187,33 DM
Rechnung vom 21. Mai 2001: 2.599.640,87 DM
Rechnung vom 11.05.2001: 264.068,23 DM
(soweit in dem Klageerweiterungsschriftsatz des
Klägers vom 21.06.2001 als Rechnungsdatum der
„21.05.2001” aufgeführt ist, handelt es sich um ein
offensichtliches Versehen – siehe Anlage K 8)
Rechnung vom 7.06.2001 (Zugang: 11.06.2001):
Gesamtforderung: 34.258.873,65 DM
Am 2. April 2001 beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen; dies ist der Beklagten noch am selben Tag bekannt geworden. Soweit für den vorliegenden Rechtsstreit von Interesse, waren der Beklagten zwei der oben genannten acht Rechnungen noch vor Stellung des Eröffnungsantrages...