Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz durch Geschäftsführer wegen Streichung einer Regelung in einem Gesellschafts-Rahmenvertrag
Leitsatz (amtlich)
1. Bei reinen Vermögensschäden hängt die Zulässigkeit der Feststellungsklage von der Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadens ab. Dabei genügt, dass nach der Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein erst künftig aus dem Rechtsverhältnis erwachsender Schaden angenommen werden kann.
2. Bei einer Einpersonengesellschaft ist kein förmlicher Gesellschafterbeschluss erforderlich, es genügt, wenn der Wille des Alleingesellschafters hinreichend klar zutage tritt.
3. Der Abschluss des neuen Rahmenvertrags ohne eine Kundenschutzklausel wie im alten Rahmenvertrag stellt ein pflichtwidriges Verhalten des Geschäftsführer nach § 43 Abs. 2 GmbHG dar, da hierin eine Überschreitung des unternehmerischen Ermessens liegt.
Normenkette
AktG § 93; GmbHG § 43 Abs. 2, § 46 Nr. 8; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München II (Beschluss vom 30.06.2017; Aktenzeichen 13 O 2376/16) |
Tenor
1. Eine Entscheidung ergeht am Ende der Sitzung, nicht vor 14.30 Uhr.
2. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Die Verhandlung wird um 13.01 Uhr unterbrochen.
Die Verhandlung wird um 15.46 Uhr fortgesetzt.
Von den Parteivertretern ist niemand erschienen.
Nach geheimer Beratung des Gerichts verkündet der Vorsitzende IM NAMEN DES VOLKES folgendes
Endurteil:
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München II vom 30.06.2017, Az. 13 O 2376/16, in Ziff. 1 Satz 1 wie folgt geändert:
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, alle Schäden, die durch die Streichung des § 12 "Untervertriebspartner- / Kundenschutz / Geheimhaltung" des Rahmenvertrags vom 01./05.08.2013 mit der W.GmbH (Vertragsnummer ...014) entstanden sind oder noch entstehen werden, auszugleichen.
II. Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
III. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Sodann wird das Urteil gem. § 540 Abs. 1 ZPO wie folgt zu Protokoll begründet:
Gründe
I. Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO Bezug genommen wird, hat den Zahlungsantrag abgewiesen und dem Feststellungsantrag stattgegeben. Gegen letzteres wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung und beantragt,
unter Abänderung des Endurteils vom 30.06.2017 die Klage insgesamt abzuweisen.
De Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
II. Die zulässige Berufung hat nur insoweit Erfolg, als der Tenor des Landgerichts klarzustellen war; im Übrigen ist die Berufung unbegründet.
1. Das Landgericht hat nach dem Wortlaut des Tenors eine Ersatzpflicht bezüglich "aller weiteren Schäden", die durch die eigenmächtige Vertragsänderung der Rahmenvereinbarung entstanden sind, festgestellt. Allerdings ergibt die Auslegung des Tenors anhand der Entscheidungsgründe (Urteil Ziff. 4 ff, S. 7 ff), dass das Landgericht tatsächlich eine Ersatzpflicht nur für die Schäden bejaht, die der Klägerin aus der Streichung des § 12 der Rahmenvereinbarung vom 01./05.08.2013 (Anlage K 5) entstanden sind und noch entstehen werden. Das Landgericht führt explizit aus (Entscheidungsgründe Ziff. 4, S. 7 des Urteils), der Feststellungsantrag beziehe sich lediglich auf die "durch den Beklagten bei der Abänderung des Rahmenvertrags veranlasste Streichung des Kundenschutzes". Soweit es um Schäden geht, die aus der Verringerung des Provisionssatzes folgen, hat das Landgericht die Klage insgesamt (rechtskräftig) abgewiesen.
Zur Klarstellung hat der Senat den Tenor des landgerichtlichen Urteils angepasst.
2. Im Übrigen bleibt die Berufung ohne Erfolg. Der Feststellungsantrag - bezogen auf die durch die Streichung der Kundenschutzklausel veranlassten Schäden - ist zulässig und begründet.
2.1. Der Feststellungsantrag ist nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.
2.1.1. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist der Feststellungsantrag nicht allein deshalb unzulässig, weil die Klägerin einen Schadensersatzanspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG geltend macht. Ob und in welcher Höhe der Klägerin tatsächlich adäquat kausal ein Schaden entstanden ist, bedarf ggf. der Klärung in einem Folgeprozess. Ein Mitverschulden der Klägerin wäre bereits im hiesigen Feststellungsverfahren zu berücksichtigen. Jedoch fehlt hierzu jeglicher Sachvortrag.
2.1.2. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse besteht. Bei reinen Vermögensschäden - wie vorliegend - hängt die Zulässigkeit der Feststellungsklage von der Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadens ab. Dabei genügt, dass nach der Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein erst künftig aus dem Rechtsverhältnis erwachsender Schaden angenommen werden kann (BGH, Urteil vom 10.07.2014, IX ZR 19...