Leitsatz (amtlich)
1. Bestellt das Prozessgericht für den Beklagten (hier: Partnerschaftsgesellschaft in Liquidation) einen Prozesspfleger nach § 57 Abs. 1 ZPO, so ist die dagegen von dem Beklagten eingelegte sofortige Beschwerde nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft, wenn der Beklagte geltend macht, durch den verbleibenden Liquidator gesetzlich vertreten zu sein.
2. Besteht bei einer Personengesellschaft (hier: Partnergesellschaft in Liquidation) Gesamtvertretung von zwei Vertretern und fällt einer der gesamtvertretungsberechtigten Vertreter weg, erstarkt die Gesamtvertretungsmacht des verbliebenen Vertreters nicht zur Alleinvertretungsmacht.
Normenkette
ZPO §§ 57, 567 Abs. 1 Nr. 2; PartGG § 10 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 29.11.2013; Aktenzeichen 30 O 12566/11) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 1) wird der Beschluss des LG München I vom 29.11.2013 (Az. 30 O 12566/11) aufgehoben und der Antrag auf Bestellung eines Prozesspflegers zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
III. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen die Beklagte zu 1), einer nach seinem Vortrag aus dem Kläger und dem Beklagten zu 2) bestehenden Partnerschaftsgesellschaft in Liquidation, einen Anspruch auf Einsichtnahme in deren Geschäftsbücher geltend. Gegen den Beklagten zu 2) macht der Kläger Ansprüche auf Zugang zu Unterlagen der Gesellschaft, auf Unterlassung sowie auf Auskunft geltend.
Für die Beklagte zu 1) bestellte sich mit Schriftsatz vom 13.8.2011 Herr Rechtsanwalt H., der auch den Beklagten zu 2) vertritt (Bl. 14/15). Der Kläger rügte mit Schriftsatz vom 4.9.2011 dessen Vollmacht und führte aus, dass die Beklagte zu 1) nach § 10 Abs. 1 PartGG, §§ 150 Abs. 1, 146 Abs. 1 Satz 1 HGB durch die Liquidatoren, also den Kläger und den Beklagten zu 2) gemeinschaftlich vertreten wird. Eine von beiden Liquidatoren erteilte Prozessvollmacht liege aber nicht vor.
Die Beklagte zu 1) trug mit Schriftsatz vom 17.10.2011 (Bl. 27) vor, dass sie vom Beklagten zu 2) vertreten werde und dem für sie auftretenden Prozessbevollmächtigen die Prozessvollmacht in Ablage B 2 erteilt habe.
Auf Antrag des Klägers (Bl. 101) erließ das LG München I den mit der Beschwerde angegriffenen Beschluss vom 29.11.2013, in dem es "der Beklagten zu 1) vertreten durch die Liquidatoren Dr. Jochen W. und Prof. Dr. Julian R., entsprechend § 57 ZPO Rechtsanwalt Thomas I. als Prozessvertreter" bestellte.
Dagegen legte die Beklagte zu 1), vertreten durch den Beklagten zu 2) mit Schriftsatz vom 20.12.2013 (Bl. 130) sofortige Beschwerde ein. Darin wird gerügt, dass die Beklagte zu 1) durch den Beklagten zu 2) ordnungsgemäß vertreten und damit nicht ohne gesetzlichen Vertreter sei.
II. Das Beschwerdeverfahren wurde nach § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO auf den voll besetzten Senat übertragen (s. dazu näher unten 3.). Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.
1. Die sofortige Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
a. Die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 1) ist nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft.
Allerdings ist umstritten, ob der Beschluss nach § 57 Abs. 1 ZPO, der für die beklagte Partei einen Prozesspfleger bestimmt, von dieser angefochten werden kann. Eine ausdrücke Anordnung der Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde (vgl. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) fehlt. Die ganz überwiegende Auffassung geht daher auch davon aus, dass kein Rechtsmittel gegeben sei (Lindacher in MünchKomm/ZPO, § 57 Rz. 18; Hüsstege in Thomas/Putzo, § 57 Rz. 5a; Stein/Jonas/Jacoby, § 57 Rz. 12; Wieczorek/Hausmann, § 57 Rz. 18 a.A. Zöller/Vollkommer, § 57 Rz. 7). Die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde ergibt sich aber aus der "Generalklausel" des § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, da vorliegend mit dem angefochtenen Beschluss zwischen den Parteien zugleich über die streitige Frage der gesetzlichen Vertretung der Beklagten zu 1) entschieden wurde.
aa. Der angegriffene Beschluss vom 29.11.2013 gab nicht nur einem Antrag des Klägers statt, sondern wies damit zugleich den gegenläufigen Antrag der Beklagten zu 1), ihr keinen (zu ergänzen: zusätzlichen) gesetzlichen Vertreter zu bestellen ab. Im vorliegenden Fall gebietet die Waffengleichheit, der Beklagten zu 1) gegen diesen Beschluss unmittelbar die Rechtsmittelinstanz zu eröffnen.
Zwar kann ein Antragsgegner nach der wohl herrschenden Meinung im Allgemeinen gegen einen Beschluss keine Beschwerde einlegen, da der bloße Widerspruch gegen einen Antrag selbst kein "Gesuch" nach § 567 Abs. 1 ZPO darstellt. Dies ist jedoch in dieser Allgemeinheit mit dem Grundsatz der Waffengleichheit nicht vereinbar (Lipp in MünchKomm/ZPO, § 567 Rz. 13). Der Grundsatz der Waffengleichheit verlangt, dass der Antragsgegner unter den gleichen Voraussetzungen Beschwerde einlegen kann wie der Antragsteller. Dem Antragsteller ist die Beschwerde eröffnet, wenn die Entscheidung des Gerichts einen Antrag voraussetzt und er durch die Entscheidung beschwert ist. Hat der Antragsgegn...