Leitsatz (amtlich)
1. Aus betrieblichen Gründen kann dem Geschäftsführer regelmäßig nur ordentlich gekündigt werden, weil der Dienstberechtigte sein Wirtschafts- und Betriebsrisiko nicht auf die Dienstverpflichteten abschieben darf. Auch die Gefahr der Insolvenz rechtfertigt die außerordentliche Kündigung des Dienstberechtigten nicht (Schwerdtner in MünchKomm, 4. Aufl., § 626 Rz. 152; Staudinger/Preis, 1995, § 626, Rz. 236). Nicht einmal im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens besteht ein Recht zur fristlosen Kündigung (§ 113 Abs. 1 InsO).
2. Eine Pflicht des Geschäftsführers, der Herabsetzung seiner Bezüge zuzustimmen, kommt nur in Betracht, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft in wesentlichem Maße verschlechtert haben, vorausgesetzt, dies wurde bei der letzten Festsetzung der Bezüge nicht bereits berücksichtigt (Bauder, BB 1993, 369 [370]; Godin-Wilhelmi, Sammlung Guttentag, Aktiengesetz, § 87 Anm. 9). Die Weitergewährung der Bezüge in der bisherigen Höhe müsste für die Gesellschaft eine schwere Unbilligkeit sein (Scholz/Schneider, GmbHG, § 35 Rz. 191). Dies ist der Fall, wenn der Gesellschaft durch die Auszahlung Mittel entzogen werden, auf die sie zum Überleben dringend angewiesen ist (Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 6 Rz. 34). Die Darlegungs- und Beweislast trägt die Gesellschaft.
3. Der angemessene Umfang der Herabsetzung auf das Billige und die Unbilligkeit der Weitergewährung des bisherigen Gehalts ist eine im Einzelfall zu beurteilende Tatfrage. Handelt es sich um einen Gesellschafter-Geschäftsführer, so sind die diesem gewährten Leistungen mit dem Gehalt zu vergleichen, das ein Fremdgeschäftsführer unter den selben Umständen für die gleiche Tätigkeit erhalten hätte. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für eine angemessene Festsetzung der Bezüge von Bedeutung zu sein pflegen, nicht etwa nur das Missverhältnis zwischen Belastung und Leistungsfähigkeit der Gesellschaft (Godin-Wilhelmi, Sammlung Guttentag, Aktiengesetz, § 87 Anm. 9).
Verfahrensgang
LG Dessau (Urteil vom 06.12.2002; Aktenzeichen 8 O 37/02) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 6.12.2002 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Dessau wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 49.850,96 Euro brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 v.H. über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 1.1.2003 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 130 v.H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt bis zum 15.4.2003 52.151,76 Euro und ab dem 16.4.2003 62.121,96 Euro.
Gründe
I. Zum Sach- und Streitstand der ersten Instanz einschl. der dort ergangenen Entscheidung wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Leseabschrift Bl. 194 ff. Bd. I d.A.).
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie meint, ihre Verurteilung beruhe auf einem Verfahrensfehler. Das LG habe seine Entscheidung überraschend darauf gestützt, dass sie für die von ihr behauptete Notsituation keinen Beweis angeboten habe. Während die Kammer in dem Hinweisbeschluss vom 14.6.2002 erkennbar nur auf die wirtschaftliche Situation in der Vergangenheit abgestellt und die Herabsetzung des Gehaltes auf 24.000 Euro für ausreichend begründet angesehen hätte, habe sie in den Entscheidungsgründen erstmals eine Zukunftsprognose für notwendig gehalten und den von ihr angebotenen Zeugenbeweis als nicht ausreichend erachtet. Das LG hätte in diesem Fall gem. § 144 ZPO von Amts wegen ein Sachverständigengutachten einholen müssen.
Die Beklagte wiederholt i.Ü. ihren erstinstanzlichen Vortrag und legt nunmehr ihren Jahresabschluss für das Jahr 2001 vor. In der Bilanz zum 31.12.2001 hat sie einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag i.H.v. 64.262,95 DM ausgewiesen. Sie glaubt, im Falle der Verurteilung zur Zahlung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen der Beklagten beantragen zu müssen.
Die Beklagte beantragt, das am 6.12.2002 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Dessau abzuändern, die Klage abzuweisen und die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen und im Wege der Anschlussberufung das Urteil dahingehend abzuändern, dass die Beklagte verurteilt wird, an ihn weitere 49.850,96 Euro brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 v.H. über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 1.1.2003 zu zahlen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag und meint, die von der Beklagten nunmehr vorgelegte Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2001 sei nicht nachvollziehbar. Sie weise um 73.066,96 DM höhere Personalkosten un...