Leitsatz (amtlich)
1. Die Überschuldung eines Unternehmens ist im Geltungsbereich des § 19 Abs. 2 InsO allein anhand des Ergebnisses der Überschuldungsbilanz zu beurteilen, das – je nach Wahrscheinlichkeit der Unternehmensfortführung – unterschiedlich zu ermitteln ist.
2. Ist bereits das Ergebnis der Überschuldungsbilanz zu Fortführungswerten negativ, besteht grundsätzlich Insolvenzantragspflicht trotz positiver Fortbestehensprognose.
3. Da in der Überschuldungsbilanz die Aktivposten nur dann mit den Fortführungswerten angesetzt werden dürfen, wenn eine positive Fortbestehensprognose gestellt werden kann und die Wahrscheinlichkeit der Fortführung des Unternehmens bereits die in der Überschuldungsbilanz einzusetzenden Werte beeinflusst, hat der Geschäftsführer in der Krise zunächst der Frage der Fortführungsmöglichkeit des Unternehmens nachzugehen.
4. Eine Fortbestehensprognose setzt grundsätzlich die Aufstellung eines dokumentierten Ertrags- und Finanzplanes voraus (Baumbach/Hueck-Schulze-Osterloh„ GmbHG, 17. Aufl., § 64 Rz. 11 m.w.N.). Die Prognose ist positiv, wenn sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit ergibt, dass die Gesellschaft mittelfristig Einnahmenüberschüsse erzielen wird, aus denen die gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten gedeckt werden können.
Verfahrensgang
LG Dessau (Urteil vom 25.04.2003; Aktenzeichen 8 O 1050/02) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 25.4.2003 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Dessau teilweise abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 35.705,31 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 vom Hundert über dem Basiszinssatz seit dem 14.8.2002 zu zahlen. Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 1/5 und der Beklagte 4/5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 50.000 Euro abwenden, wenn die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 3.000 Euro abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert der Berufung beträgt 41.418,16 Euro.
Gründe
I. Wegen des Sach- und Streitstandes in I. Instanz einschl. der dort ergangenen Entscheidung nimmt der Senat Bezug auf das am 25.4.2003 verkündete Urteil (Leseabschrift Bl. 158 Bd. I d.A.). Klarzustellen ist allerdings, dass in dem Protokoll vom 6.2.2002, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 68 f., Bd. I d.A.) nur festgehalten wird, dass die Insolvenzschuldnerin nicht zahlungsunfähig sei. Dass sie nicht überschuldet war, wird in dem Protokoll nicht ausdrücklich festgestellt.
Ferner hat der Beklagte in erster Instanz Einwände gegen die Höhe des geltend gemachten Schadens erhoben. Er hat vorgebracht, der in dem geltend gemachten Rechnungsbetrag enthaltene kalkulierte Gewinn der Klägerin sei nur dann als Schaden anzusehen, wenn sie im Fall des Nichtkontrahierens mit der Insolvenzschuldnerin einen vergleichbaren Auftrag hätte erhalten können. Hierzu fehle es jedoch an jeglichem Vortrag. Dies gelte auch für die Höhe des von der Klägerin kalkulierten Gewinnanteils. Schließlich dürfe die Klägerin die Umsatzsteuer nicht als Schadensersatz verlangen.
Mit ihrer Berufung wendet sich die Klägerin gegen die klageabweisende Entscheidung des LG. Sie beanstandet insb., dass die Frage der Überschuldung der Insolvenzschuldnerin vollständig außer Betracht gelassen worden sei. Im Übrigen hält sie an ihrer Auffassung fest, die Insolvenzschuldnerin sei bereits am 22.2.2002 zahlungsunfähig gewesen. Schon zu diesem Zeitpunkt habe der Beklagte gewusst, dass die für die Zahlung der Löhne für Februar 2002 erforderlichen Mittel zum Fälligkeitszeitpunkt nicht zur Verfügung stehen würden. Auch sei die Insolvenzschuldnerin nicht in der Lage gewesen, ihre Verbindlichkeiten ggü. dem Finanzamt auszugleichen. Vor diesem Hintergrund habe der Beklagte als ordentlicher Kaufmann damit rechnen müssen, dass er seinen vertraglichen Verpflichtungen der Klägerin ggü. nicht werde nachkommen können. Sie hält des Weiteren daran fest, dass das Betriebsgrundstück am W. 40 im Liquiditätsstatus vom 6.2.2002 nicht mit einem Wert von 1 Mio. DM hätte angesetzt werden dürfen, vielmehr hätten die Abrisskosten i.H.v. 300.000 DM berücksichtigt werden müssen. Schließlich hätten die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen im Hinblick auf bestehende Gewährleistungsansprüche vorsichtiger bewertet werden müssen.
Im Übrigen nimmt die Klägerin Bezug auf ihren Vortrag erster Instanz.
Die Klägerin beantragt nach teilweiser Rücknahme der Berufung, das am 25.4.2003 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Dessau abzuändern und den Beklagten zur Zahlung von 35.705,31 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 vom Hundert über dem Basiszinssatz seit dem 14.8.2002 an die Klägerin zu verurteilen,
hilfsweise
das am 25.4.2003 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Dessau aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entsc...