Leitsatz (amtlich)
Der Ablauf der Frist nach § 701 S. 1 ZPO wird durch einen gegen den Mahnbescheid eingelegten Widerspruch gehemmt und läuft erst nach dessen Rücknahme weiter.
Normenkette
ZPO § 701 S. 1
Verfahrensgang
LG Weiden i.d.OPf. (Aktenzeichen 11 O 437/11) |
Tenor
Der Antrag der Beklagten vom 26.4.2013 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe
Die beabsichtigte Berufung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 S. 1 ZPO).
I. Am 11.1.2011 wurde gegen die Beklagte vom AG Hagen ein Mahnbescheid erlassen, der ihr am 15.1.2011 zugestellt wurde.
Am 4.2.2011 hat die Klägerin Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides auf der Grundlage des Mahnbescheides gestellt, der aber nicht bearbeitet wurde, weil bereits Gesamtwiderspruch von der Beklagten erhoben worden war.
Das AG Hagen hat das Verfahren nach Widerspruch an das LG Weiden i. d. OPf. abgegeben.
Mit Schriftsatz vom 13.2.2012, eingegangen beim LG Weiden am 14.2.2012, hat der Beklagtenvertreter den Widerspruch gegen den Mahnbescheid des AG Hagen zurückgenommen.
Am 28.2.2012 hat die Klägerin erneut Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides beim AG Hagen gestellt. Dieser Antrag wurde an das LG Weiden i. d. OPf. zuständigkeitshalber übersandt. Mit Verfügung vom 13.3.2012 wies die zuständige Rechtspflegerin die Klägerin darauf hin, dass eine maschinelle Bearbeitung beim LG Weiden nicht möglich sei und ersuchte darum, einen von ihr beigefügten "alten" Vordrucksatz auszufüllen und einzureichen. Der nach diesen Vorgaben erstellte Antrag ging am 29.3.2012 beim LG ein.
Am 30.3.2012 wurde der beantragte Vollstreckungsbescheid durch das LG Weiden i. d. OPf. erlassen. Gegen den am 4.4.2012 der Beklagten zugestellten Vollstreckungsbescheid hat diese mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 18.4.2012, eingegangen am selben Tag, form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.
Zu dem auf Dienstag, den 19.3.2013 vor dem LG anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung über Einspruch und Hauptsache, wurde der Prozessbevollmächtigte des Beklagten ordnungsgemäß am 30.1.2013 geladen. Zum Termin ist für die Beklagte jedoch niemand erschienen. Das LG hat deshalb den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid vom 30.3.2012 mit Versäumnisurteil vom 19.3.2013 verworfen.
Das Versäumnisurteil wurde dem Beklagtenvertreter am 26.3.2013 zugestellt. Am 26.4.2013 ging beim OLG Nürnberg ein Prozesskostenhilfegesuch ein, mit dem die Beklagte für die beabsichtigte und im Entwurf beigefügte Berufung die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung des erstinstanzlichen Bevollmächtigten beantragt.
Mit der im Entwurf vorgelegten Berufungsbegründung macht die Beklagte geltend, dass die Verwerfung ihres Einspruchs gegen den Vollstreckungsbescheid des LG Weiden vom 30.3.2012 durch sog. Zweites Versäumnisurteil vom 19.3.2013 rechtsfehlerhaft gewesen sei, weil die Voraussetzungen für den Erlass des Vollstreckungsbescheids nicht vorgelegen hätten. Da der Vollstreckungsbescheid vom 30.3.2012 nicht innerhalb von 6 Monaten seit der Zustellung des Mahnbescheids beantragt worden sei, sei die Wirkung des Mahnbescheids nach § 701 S. 1 ZPO entfallen. Damit habe die gem. § 699 Abs. 1 S. 1 ZPO notwendige Grundlage für den am 30.3.2012 erlassenen Vollstreckungsbescheid gefehlt.
Im Übrigen erhebe sie gegenüber den Ansprüchen der Klägerin die Einrede der Verjährung.
II.1. a) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (grundlegend BGHZ 73, 85) und der herrschenden Meinung in der Literatur (vgl. etwa Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 700 Rz. 14 mit weiteren Nachweisen zum Schrifttum) ist § 514 Abs. 2 ZPO in den Fällen, in denen durch Zweites Versäumnisurteil der Einspruch gegen einen vorausgegangenen Vollstreckungsbescheid verworfen wird, dahingehend auszulegen, dass die Berufung auch auf die verfahrensrechtliche Unzulässigkeit des Vollstreckungsbescheides gestützt werden kann. Grund dafür ist der Gleichlauf von Prüfungsumfang und -pflicht des Einspruchsrichters einerseits und Berufungsfähigkeit andererseits (BGHZ 73, 87, 89 ff.; 112, 367, 371 ff.; NJW 1999, 2599).
b) Die beabsichtigte Berufung des Beklagten wäre insoweit also statthaft und könnte bei zu gewährender Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist rechtzeitig erhoben und begründet werden, weil der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe innerhalb der Frist nach § 517 ZPO eingelegt wurde.
c) Die dann zulässige Berufung wäre aber unbegründet.
Der von der Beklagten geltend gemachte rechtliche Einwand greift nicht durch. § 701 S. 1 ZPO führt im konkreten Fall nicht zum Wegfall der Wirkung des Mahnbescheids und damit zur Unzulässigkeit des Vollstreckungsbescheids.
aa) Nach § 701 S. 1 ZPO fällt die Wirkung des Mahnbescheids weg, wenn nicht binnen einer Frist von sechs Monaten nach Zustellung des Mahnbescheids der Erlass eines Vollstreckungsbescheides beantragt wird.
Zwar wurde der Mahnbescheid der Beklagten am 15.1.2011 zugestellt. Der schließlich am 30.3.2012 erlassene Vollstreckungs...