Entscheidungsstichwort (Thema)
Bauhandwerkersicherung für isoliert beauftragte Gerüstbauarbeiten
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Gerüstbau- und -überlassungsvertrag, aufgrund dessen ein Gerüst nicht nur vermietet, sondern ein individuell bemessenes und zusammengestelltes Gerüst montiert, am Gebäude fest verankert und wieder demontiert wird sowie der Gerüstbauer in eigener Verantwortung über die Art der Gerüstgruppe und die Konstruktion im Einzelnen entscheidet, ist nach Werkvertragsrecht zu beurteilen.
2. Eine Bauhandwerkersicherung nach § 648a Abs. 1 BGB a. F. kann auch für isoliert beauftragte Gerüstbauarbeiten jedenfalls dann verlangt werden, wenn diese Arbeiten direkt baubegleitend die unmittelbar bauwerkserrichtende Tätigkeit unterstützen.
3. Die Bauhandwerkersicherung nach 648a BGB a. F. kann auch nach der Kündigung noch verlangt werden, wobei es für einen Anspruch des Unternehmers gegen den Besteller auf Leistung einer Sicherheit ausreicht, dass dem Unternehmer noch ein Vergütungsanspruch zusteht. Bei der Berechnung der dem Sicherungsverlangen zu Grunde liegenden Vergütung bleiben Ansprüche unberücksichtigt, mit denen der Besteller gegen den Vergütungsanspruch des Unternehmers aufrechnen kann, es sei denn, sie sind unstreitig oder rechtskräftig festgestellt.
Normenkette
BGB § 648a Abs. 1
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 25.06.2019; Aktenzeichen 1 O 7391/18) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 25.06.2019, Az. 1 O 7391/18, geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für den Bau und Stellung eines Fassadengerüsts beim Bauvorhaben "52 Wohnungen in zwei Bauabschnitten J. 52, ... F." eine Bauhandwerkersicherung in Höhe von 41.213,87 EUR zu stellen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 42.000 EUR abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 41.213,87 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten eine Bauhandwerkersicherung nach § 648a BGB a. F. über einen Betrag in Höhe von 41.213,87 EUR für den Bau und die Bereitstellung eines Fassadengerüsts bei dem Bauvorhaben "J. 52, ... F.(Ort)".
Das Verlangen der Sicherheitsleistung stützt die Klägerin auf den "Bauvertrag" vom 17.10.2017 (Anlage BK1). Nach diesem Vertrag wurde die Klägerin von der Beklagten beauftragt, Gerüstarbeiten auszuführen. Vereinbart wurde u. a. die Einbeziehung der VOB/B. Die Vergütung ist nach Aufmaß und Einheitspreisen gemäß Leistungsverzeichnis abzurechnen. Als Ausführungsfristen wurden festgelegt: Arbeitsbeginn: 10.10.2017, Vorhaltung: ca. April 2018. In § 10 des Bauvertrags wurde bestimmt, dass eine förmliche Abnahme zu erfolgen hat. In § 12 wurden Abschlagszahlungen vereinbart, wobei der Auftraggeber berechtigt sein sollte, bei den Abschlagszahlungen einen Betrag in Höhe von 10 % der erbrachten Leistungen einzubehalten. Nach § 13 ist die Schlusszahlung alsbald fällig nach Prüfung und Feststellung der vom Auftragnehmer vorgelegten Schlussrechnung, spätestens zwei Monate nach deren Zugang. Als Anlage enthielt der Vertrag ein bepreistes Leistungsverzeichnis mit einem Gesamtbetrag von 24.590 EUR zzgl. Mehrwertsteuer, insgesamt also 29.262,10 EUR.
Die Klägerin stellte in der Folgezeit die vereinbarten Gerüste, wobei sie diese individuell bemaß und zusammenstellte, in eigener Verantwortung über die Art der Gerüstgruppe und die Konstruktion im Einzelnen entschied, die Gerüste montierte und an den Gebäuden fest verankerte.
Am 10.08.2018 trafen die Parteien Vereinbarungen hinsichtlich der Abrechnungsmodalitäten (Anlage B4).
Die Beklagte leistete folgende Zahlungen an die Klägerin: 13.090,00 EUR am 12.02.2018, 19.600,00 EUR am 12.04.2018, 10.000,00 EUR am 14.06.2018, 4.900,00 EUR am 23.07.2018 und 10.803,66 EUR am 20.09.2018. Die Verrechnung eines Betrags in Höhe von 6.803,66 EUR aus der letztgenannten Zahlung erfolgte vereinbarungsgemäß auf eine Einzelrechnung für Gelog-Anker.
Mit Schreiben vom 01.10.2018 kündigte die Beklagte den Vertrag gemäß § 8 Abs. 3 VOB/B (Anlage K 16), wobei die Kündigung damit begründet wurde, dass die Klägerin gerügte Mängel nicht beseitigt habe. Außerdem erteilte sie der Klägerin ein Baustellenverbot. Der Kündigung war die Mängelrüge vom 21.09.2018 (Anlage B1) vorausgegangen. Die Mängelrüge bezog sich darauf, dass das Gerüst in Zeile 1 und 2 (handschriftliche Korrektur: "nach Rücksprache mit S. ... betrifft die Mängelrüge nur Zeile 1") zu erhöhen sei, weiter wurde ausgeführt: "Gerüsterhöhung zur Attika anbringen." Es wurde Auftragsentziehung und Ersatzvornahme angedroht. Mit Schreiben vom 25.09.2018 (Anlage B2.1) setzte die Beklagte der Klägerin außerdem eine Nachfrist bis zum 28.09.2018. Mit einem weiteren Schreiben vom 26.09.2018 (Anlage B3.1) bezog sich die Beklagte auf das "S. ....