Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Haftung des Geschäftsführers nach § 43 GmbHG ist zu berücksichtigen, dass dem Geschäftsführer bei unternehmerischen Entscheidungen ein erhebliches Handlungsermessen zusteht (im Anschluss an BGH v. 21.4.1997 - II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 [257] = AG 1997, 377 = MDR 1997, 663; BGH DB 2002, 473).
Diese Grundsätze gelten auch bei personellen Maßnahmen (hier bei einer Gehaltserhöhung für einen leitenden Mitarbeiter), die in den Kompetenzbereich des Geschäftsführers fallen und die jedenfalls subjektiv im Unternehmensinteresse vorgenommen und nicht von sachfremden Erwägungen getragen werden.
2. Das dem Geschäftsführer bei unternehmerischen Entscheidungen zuzubilligende weite Ermessen ist beim Erwerb eines anderen Unternehmens (hier eines weiteren Klinikbetriebs) überschritten, wenn die Grundlagen, Chancen und Risiken der Investitionsentscheidung nicht ausreichend aufgeklärt worden sind.
Zumindest dann, wenn nicht ausreichende, gesicherte Erkenntnisse über das zu erwerbende Unternehmen vorhanden sind oder wenn vorhandene Informationen Unklarheiten aufweisen, wird eine umfassende "Due Diligence" durchzuführen sein.
Wird dies unterlassen, kommt bei einer zu erheblichen Verlusten führenden Fehlinvestition eine Geschäftsführerhaftung in Betracht.
3. Ist bei der GmbH ein vorhandener Aufsichtsrat in die Entscheidung über den Unternehmenserwerb eingebunden, haben die Geschäftsführer den Aufsichtsrat über die für die Erwerbsentscheidung wesentlichen Umstände vollständig und sachlich zutreffend zu informieren. Eine Verletzung dieser Pflicht kann auch darin liegen, dass der Ablauf der vorausgegangenen Kaufvertragsverhandlungen sowie die eigenen Erwägungen für eine zunächst erfolgte grundlegende Ablehnung der Investitionsentscheidung ggü. dem Aufsichtsrat unvollständig und unrichtig dargestellt worden sind.
4. Der Kausalzusammenhang zwischen der Verletzung der Informationspflicht ggü. dem Aufsichtsrat und dem eingetretenen Schaden (Erwerb des verlustbringenden Klinikbetriebs) ist nicht empirisch festzustellen und kann insb. nicht (ex post) durch Zeugenvernehmung der Aufsichtsratsmitglieder festgestellt werden.
Für den Kausal- und Zurechnungszusammenhang ist vielmehr entscheidend, wie ein verantwortlich handelndes, seine Aufsichtsfunktion sorgfältig wahrnehmendes Aufsichtsratsmitglied sich verhalten hätte und welche Entscheidung bei vollständiger, zutreffender Information von ihm zu erwarten gewesen wäre.
5. Werden gebotene unternehmerische Entscheidungen zur Begrenzung des Schadens in der Form kontinuierlich auflaufender Jahresverluste in Millionenhöhe unterlassen, muss sich die GmbH ein eventuelles Mitverschulden, sei es über die Person des Mitgeschäftsführers, über den Aufsichtsrat oder die Gesellschafterversammlung, im Verhältnis zum schadensersatzpflichtigen Geschäftsführer nicht zurechnen lassen, soweit es um ein evtl. Mitverschulden in dem Zeitraum geht, in dem der in Anspruch genommene Geschäftsführer weiterhin im Amt gewesen ist und Verantwortung für die GmbH getragen hat.
Ein der GmbH zuzurechnendes Mitverschulden kommt im Verhältnis zu dem auf Schadensersatz in Anspruch genommenen Geschäftsführer erst für die Zeit nach dessen Ausscheiden als Geschäftsführer in Betracht.
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Urteil vom 11.12.2002; Aktenzeichen 10 O 1214/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtmittels der Beklagten das am 11.12.2002 verkündete Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des LG Osnabrück teilweise geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 2.890.652 EUR zu zahlen nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins auf 2.667.012 EUR seit dem 9.8.2002 und auf den Restbetrag von 199.626 EUR seit dem 4.12.2003.
Es wird festgestellt, dass der Kläger verpflichtet ist, die Beklagte
a) von allen etwaigen Ansprüchen der öffentlichen Hand, insb. der Gemeinde B., die sich hinsichtlich angefallener Erschließungsbeiträge im Rahmen des Duldungsbescheides der Gemeinde B. vom 19.12.2002 auf Grund öffentlich-rechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften ergeben, freizustellen;
b) von allen Ansprüchen des jetzigen Erwerbers der Klinik B., die sich hinsichtlich angefallener Erschließungsbeiträge auf Grund des Kaufvertrags (Regelung Nr. 11 des Kaufvertrags) sowie der Übertragung des Grundstücks in Verbindung mit öffentlich-rechtlichen und sonstigen gesetzlichen Vorschriften im Rahmen des Duldungsbescheides vom 19.12.2002 ergeben, freizustellen.
Die weitergehende Widerklage wird abgewiesen.
Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 40 % und die Beklagte zu 60 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien können die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 105 % des für die jeweils andere Partei nach diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn ...