Leitsatz (amtlich)

1. Der Besitz an beweglichen Sachen begründet nicht in jedem Fall ein die Veräußerung hinderndes Recht i.S.v. § 771 Abs. 1 ZPO. Hierzu bedarf es grundsätzlich noch eines Rechts zum Besitz.

2. Rein schuldrechtliche Ansprüche auf Verschaffung oder Belassung des Besitzes stellen ein die Veräußerung hinderndes Recht nur dar, wenn das obligatorische Recht geeignet ist, die Nichtzugehörigkeit der betreffenden Sache zum Vermögen des Schuldners zu begründen.

3. Daran fehlt es, wenn der Schuldner die von ihm betriebene Hotelanlage einem Dritten zwar auf der Grundlage eines "Pachtvertrages" überlässt, dieser Vertrag jedoch als sog. Management-Vertrag ausgestaltet ist, bei dem zur Bewahrung erhaltener öffentlicher Zuschüsse das volle unternehmerische Risiko bei dem Schuldner verbleibt.

4. Ein Sicherungsübereignungsvertrag mit einer Übersicherung von 500 % ist sittenwidrig und damit nichtig.

 

Verfahrensgang

LG Schwerin (Urteil vom 09.07.2002; Aktenzeichen 1 O 58/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten zu 4) wird das am 9.7.2002 verkündete Schlussurteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des LG Schwerin - 1 O 58/02 teilweise geändert:

Die Klage gegen die Beklagte zu 4) wird abgewiesen.

Unter Aufrechterhaltung der Kostenentscheidung des LG im Übrigen werden der Klägerin von den Kosten des ersten Rechtszuges - bei Wegfall der Kostentragungspflicht der Beklagten zu 4) - jeweils 28 % der Gerichts kosten und ihrer außergerichtlichen Kosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 4) auferlegt.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich im Wege der Drittwiderspruchsklage u.a. gegen Pfändungsmaßnahmen der Beklagten gegen die Schuldnerin in Gegenstände der von dieser früher betriebenen Hotelanlage.

Ein die Veräußerung hinderndes Rechts i.S.v. § 771 Abs. 1 ZPO leitet die Klägerin aus dem mit der später insolvent gewordenen Schuldnerin unter dem 25.10.2001 geschlossenen "Pachtvertrag" her sowie aus dem Sicherungsübereignungsvertrag vom gleichen Tag, von dem die Einrichtungsgegenstände des Hotelbetriebes erfasst sind.

Der Pachtvertrag sieht vor, dass dieser zunächst (bis zum 1.1.2005) als sog. Management-Vertrag durchgeführt wird und die Schuldnerin mit Rücksicht auf erhaltene öffentliche Zuschüsse bis dahin das volle unternehmerische Risiko trägt. Dem entsprechend verpflichtete sich die Schuldnerin, bis zum 31.12.2004 anfallende negative Betriebsergebnisse durch die Gewährung eines jährlich nachträglich zu zahlenden, der Höhe nach unbegrenzten "Pre-Opening-Zuschuss", den die Vertragparteien zunächst mit 750.000 DM bezifferten, zu tragen.

Zur Sicherung des Anspruchs der Klägerin auf die "Pre-Opening-Zuschüsse" übereignete die Schulderin zum 1.12.2001 der Klägerin die Einrichtungsgegenstände des Hotelbetriebes zu einem angegebenen Buchwert von ca. 1.100.000 DM.

Am 30.1.2002 ließen die Beklagte und andere Gläubiger der Schuldnerin durch den von ihnen beauftragen Gerichtsvollzieher eine Vielzahl dieser Einrichtungsgegenstände pfänden. Die Klägerin vertritt die Auffassung, sie habe vorrangig und wirksam Sicherungseigentum hieran erlangt, aber auch der - vollzogene - Pachtvertrag mit der Schuldnerin gebe ihr - der Klägerin - ein die Veräußerung hinderndes Recht.

Dem ist das LG gefolgt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II. Die - zulässige - Berufung ist begründet. Entgegen der Auffassung des LG steht der Klägerin für ihre Drittwiderspruchsklage nach § 771 Abs. 1 ZPO an den von der Beklagten zu 4) gepfändeten Gegenständen kein die Veräußerung hinderndes Recht zu.

1. Die Berufungsbegründung erfüllt entgegen der Auffassung der Klägerin die Voraussetzungen des § 520 ZPO. Sie lässt das Ziel des Rechtsmittels erkennen und führt hinreichend deutlich aus, dass und aus welchen Gründen das LG ein die Veräußerung hinderndes Recht der Klägerin zu Unrecht in dem durch den Pachtvertrag vermittelten Besitz gesehen hat und dass und aus welchen Gründen die zugrunde zu legenden Tatsachen eine Nichtigkeit sowohl des Pachtvertrages als auch des Sicherungsübereignungsvertrages zur Folge haben können.

2. Entgegen der Auffassung des LG begründet der Besitz an beweglichen Sachen nicht ohne weiteres ein die Veräußerung hinderndes Recht i.S.v. § 771 Abs. 1 ZPO.

a) Zwar hat das Reichsgericht in wohl ständiger Rechtsprechung (vgl. RGZ 14, 358 [365]; RGZ 34, 423 [424]; JW 1921, 1246 f.) die Auffassung vertreten, dass bereits der Besitz ein die Veräußerung hinderndes Recht sei, "sofern dieser derart ausgestaltet ist, dass er Anspruch auf Rechtsschutz gewährt." Grundlage hierfür war, wie sich aus der Begründung zu RGZ 14, 365 ergibt, eine Königlichen Verordnung vom 7.9.1879, nach der allein die Pfändung der im Gewahrsam des Schuldners befindlichen Sachen statthaft war, nicht aber au...

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