Entscheidungsstichwort (Thema)
Untreue
Leitsatz (amtlich)
§§ 2 Abs. 3 StGB, 266 Abs. 1 2. Var. StGB, 30 Abs. 1, 64 Satz 1 u. 3 GmbHG [i.d.F.d. Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008, BGBl I 2008, Nr. 48, 2026-2047] (1) Aufgrund der mit der Änderung von § 30 GmbHG und Aufhebung von §§ 32 a und b GmbHG eingetretenen Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechtes durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) ist allein aufgrund der Rückgewähr eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen oder gleichstehender Leistungen eine Strafbarkeit wegen Untreue gem. § 266 Abs. 1, 2. Var. StGB (Treubruchtatbestand) nach § 2 Abs. 3 StGB auch rückwirkend entfallen. (2) Die Strafbarkeit des Geschäftsführers einer GmbH wegen existenzvernichtenden Eingriffs (§ 266 Abs.1 2. Var. StGB i.V.m. § 64 S. 1, S. 3 GmbHG [n.F]) durch Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen oder diesen gleichstehenden Leistungen besteht auch nach Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts weiter, wenn dies für den Geschäftsführer erkennbar zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führt bzw. diese vertieft. Insofern besteht für Taten, die vor dem Inkrafttreten des MoMiG begangen wurden, Unrechtskontinuität zur heute geltenden Rechtslage mit der Folge, dass eine Strafbarkeit nicht gem. § 2 Abs. 3 StGB entfallen ist.
Normenkette
StGB § 2 Abs. 3, § 266 Abs. 1; GmbHG § 30 Abs. 1, § 64 Sätze 1, 3
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 29.01.2009; Aktenzeichen 6 KLs 152 Js 11078/03) |
StA Stuttgart (Aktenzeichen 152 Js 11078/03) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Stuttgart wird der Beschluss der 6. Strafkammer – Wirtschaftsstrafkammer – des Landgerichts Stuttgart vom 29. Januar 2009
die Anklage der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 29. November 2005 zugelassen und das Hauptverfahren vor der 6. Strafkammer – Wirtschaftsstrafkammer – des Landgerichts Stuttgart
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgen den Kosten in der Hauptsache.
Tatbestand
I.
1. Die Angeklagten H. und G. waren in der Zeit vom 11. März 1997 bis 10. Mai 2001 Geschäftsführer der am 19. Juli 1991 gegründeten B.-GmbH, die Systemmöbel herstellte. Das Stammkapital der B.-GmbH betrug zuletzt 110.000,– DM. Ab dem 10. Mai 2001 wurde der Angeklagte M. zum Alleingeschäftsführer der B.-GmbH bestellt. Alleingesellschafterin der B.-GmbH ist seit 16. Oktober 1998 die Firma K., deren Generaldirektor der Angeklagte M. ist. Gesellschafterin der K. ist die Firma M. 1999 gewährte die Firma K. der B.-GmbH ein Gesellschafterdarlehen über insgesamt 1.000.000.– DM und die Firma M. ein solches über 700.000,– DM. Die Bilanz der B.-GmbH hatte zum 31. Dezember 1999 einen Fehlbetrag von 2.428.468,46 DM und einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 1.870.802,57 DM ausgewiesen.
Nach der Anklage der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 29. November 2005 war die B.-GmbH seit dem 30. September 2000 zahlungsunfähig, als die Bank Kredite über 650.000,– DM sowie die Avalkreditlinie über 200.000.– DM zum 30. September 2000 fällig stellte und seit deren Rückführung am 13. September 2000 keine weiteren Kreditmöglichkeiten mehr bestanden hätten. Spätestens zum 31. Dezember 2000 sei die Gesellschaft überschuldet gewesen, nachdem die Bilanz zum Stichtag einen Fehlbetrag von 2.333.677,69 DM ausgewiesen habe. Die tatsächliche Überschuldung habe mindestens 2.048.447,69 DM betragen.
Zwar hätte der Angeklagte M. am 29. Februar 2000 und 22. Juni 2000 Rangrücktrittserklärungen bezüglich der eigenkapitalersetzenden Darlehen der K. und der M. sowie von Forderungen aus Lieferung und Leistung der K. über 2.065.149,51 DM abgegeben, diese seien jedoch lediglich formeller Natur und daher unwirksam gewesen, nachdem sich die Angeklagten entschlossen hätten, sich in der Krise des Vermögens der B.-GmbH zur bestmöglichen Rückführung der Verbindlichkeiten zu bemächtigen.
Im Einzelnen sollen die Angeklagten folgende Handlungen begangen haben.
- • Die Angeklagten H. und G. hätten in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung es innerhalb der gesetzlichen Frist vom 21. Oktober 2000 bis zu ihrem Ausscheiden als Geschäftsführer am 10. Mai 2001 und der Angeklagte M. vom 10. Mai 2001 bis zum 28. Januar 2002 vorsätzlich unterlassen, Insolvenzantrag zu stellen (Insolvenzverschleppung gem. §§ 64 Abs. 1, 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG [a. F] – Fall 1).
- • Die Angeklagten H. und G. hätten in Kenntnis der Krise der Gesellschaft und ihrer Vermögensbetreuungspflicht die Insolvenz der B.-GmbH dadurch vertieft, dass sie entgegen dem Auszahlungs- und Verrechnungsverbot des § 30 GmbHG [a. F.] die Kaufpreisforderung der B.-GmbH über 723.259,60 DM aus dem am 31. Oktober 2000 erfolgten Verkauf des gesamten Warenlagers an die K. mit deren Forderungen aus Lieferung und Leistung am 31. Oktober 2000 verrechnet, weshalb die B.-GmbH entsprechend geschädigt worden sei. Der Angeklagte M. hätte hierbei die Angeklagten H. und G. bestärk...