Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Im Zuge der Corona-Pandemie hat das Angebot an Veranstaltungen, die über das Internet ausgeführt werden, schlagartig zugenommen. Auch nach dem Abklingen der Pandemie sind diese Angebote nicht mehr wegzudenken. Insbesondere betrifft das kulturelle Angebote aber auch Angebote der Aus- und Fortbildung und der Freizeitgestaltung. Da die Art der Ausführung von Veranstaltungen sowohl Auswirkungen auf den Ort der Leistung, die Steuerpflicht wie auch den maßgebenden Steuersatz haben kann, hat die Finanzverwaltung zur umsatzsteuerlichen Einordnung von Umsätzen aus Online-Veranstaltungsdienstleistungen und weiteren Online-Dienstleistungsangeboten Stellung genommen.
Die rechtliche Problematik
Kulturelle Angebote (Konzerte, Theateraufführungen o. ä.), Fort- und Ausbildungsangebote wie auch Angebote zur Freizeitgestaltung (z. B. Fitness- oder Yogakurse) oder Gesundheitsleistungen können sowohl als Präsenzveranstaltung (Live-Veranstaltung) als auch über das Internet als Download einer vorproduzierten Aufzeichnung zur Verfügung gestellt werden. Es sind aber auch Kombinationen beider Varianten möglich, indem eine Präsenzveranstaltung aufgezeichnet wird und – gegen Sonderentgelt oder im Rahmen der Zahlung für die Teilnahme an der Präsenzveranstaltung – auch noch zum späteren Abruf über das Internet bereitgestellt wird.
Die Art der Ausführung des Angebots kann bei der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung von entscheidender Bedeutung sein. So richtet sich der Ort bei einer über das Internet ausgeführten Leistung gegenüber einem Nichtunternehmer nach anderen Regelungen, als wenn die Veranstaltung als Präsenzveranstaltung ausgeführt wird.
Praxis-Tipp
Dies ist gerade auch bei grenzüberschreitenden Leistungen von Bedeutung. Bei einer über das Internet ausgeführten Leistung befindet sich der Ort der sonstigen Leistung regelmäßig dort, wo der Leistungsempfänger ansässig ist. Bei einer Präsenzveranstaltung ist der Ort regelmäßig dort, wo die Leistung erbracht wird (wo die Veranstaltung stattfindet).
Umsätze, die im Bereich Kultur, Bildung u. ä. ausgeführt werden, können unter weiteren Voraussetzungen auch Steuerbefreiungen unterliegen. Soweit die Steuerbefreiungen nicht zur Anwendung kommen, kann unter weiteren Voraussetzungen der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 UStG in Betracht kommen. Dies betrifft insbesondere Eintrittsberechtigungen für kulturelle Veranstaltungen.
Die Anweisung des Bundesministeriums der Finanzen
Die Finanzverwaltung nimmt in ihrem Schreiben zu den Online-Veranstaltungsdienstleistungen im B2C-Bereich Stellung, da diese Leistungen typischerweise gegenüber Nichtunternehmern ausgeführt werden. Dabei unterscheidet die Finanzverwaltung zwischen dem Angebot vorproduzierter Inhalte, dem Live-Streaming und den Leistungskombinationen.
Hinweis
Im Wesentlichen stellt die Finanzverwaltung die Konsequenzen für kulturelle Angebote i. S. d. § 4 Nr. 20 UStG dar. Sie überträgt die Konsequenzen dann aber auch auf weitere Angebote der Aus- und Fortbildung bzw. auch auf Gesundheitsleistungen.
Vorproduzierte Inhalte
Werden vorproduzierte Inhalte den Nutzern über das Internet bereitgestellt und können die Nutzer diese Angebote zu einem festen oder von ihnen zu wählenden Zeitpunkt abrufen (Download oder Streaming), handelt es sich um eine auf elektronischem Weg erbrachte Leistung, die dort ausgeführt ist, wo der nichtunternehmerische Leistungsempfänger ansässig ist.
Praxis-Tipp
Sollten solche Leistungen an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt werden, ist der Leistungsort auch dort, wo der Leistungsempfänger ansässig ist. Bei EU-grenzüberschreitenden Leistungen würde in diesem Fall die Steuerschuld zwingend auf den Leistungsempfänger übergehen. Werden diese Leistungen an Nichtunternehmer in anderen Mitgliedstaaten ausgeführt, schuldet der leistende Unternehmer die dort ggf. entstehende Umsatzsteuer, sie kann aber über die One-Stop-Shop-Regelung für die jeweiligen Mitgliedstaaten der Ansässigkeit der Leistungsempfänger erklärt werden.
Wenn die Leistungen neben der Übertragung im Internet gleichzeitig auch durch Rundfunk- oder Fernsehsender übertragen wird, handelt es sich zwar nicht um eine auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistung, die Rundfunk- oder Fernsehdienstleistungen unterliegen aber denselben umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen, sodass diese Unterscheidung keine praktischen Auswirkungen hat.
Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass für die Leistungen, die auf vorproduzierten Inhalten basieren, weder die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 UStG noch die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 UStG in Betracht kommt. Dies soll auch auf vergleichbare Leistungen im Bildungs- oder Gesundheitswesen so anwendbar sein.
Live-Streaming
Bei der Bereitstellung eines Live-Streamings handelt es sich n...