Dipl.-Finanzwirt (FH) Udo Klingler
Leitsatz
In aller Regel folgt aus der finanziellen Eingliederung auch die organisatorische Eingliederung. Von einem im Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen wird vermutet, dass es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist (§ 17 Abs. 2 AktG) und von den Mehrheitsgesellschaftern beherrscht wird. Wird dies bestritten, muss vom Finanzamt nachgewiesen werden, dass entgegen der gesetzlichen Vermutung trotz der Beherrschungsmöglichkeit tatsächlich keine unmittelbare Beherrschung der Gesellschaft vorliegt. Denn das Vorliegen der organisatorischen Eingliederung lässt sich bereits daraus ableiten, dass zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft jederzeit die Voraussetzungen für die Anerkennung der Organschaft durch das Finanzamt geschaffen werden können.
Sachverhalt
Die Y Servicegesellschaft mbH wurde am 11.5.2000 gegründet, an deren Stammkapital von 25.000 EUR zunächst B mit 12.750 EUR (51 %) und die X GmbH & Co. KG mit 12.250 EUR (49 %) beteiligt waren. Mit Vertrag vom 13.12.2000 wurden die Anteile der X GmbH & Co. KG für 12.250 EUR an die Z Beteiligungsgesellschaft mbH veräußert. Die Y GmbH war ausschließlich für das Einzelunternehmen des B und die N GmbH tätig, die B zu 98 % gehörte.
Als einzelvertretungsberechtigte, von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite Geschäftsführer, waren seit 11.5.2000 MK und B bestellt. Sie haben mit Ausnahme derjenigen Aufgaben, die der Gesellschafterversammlung ausdrücklich vorbehalten blieben, im Außenverhältnis unbeschränkte Handlungsvollmacht, ohne dass es eines besonderen Gesellschafterbeschlusses bedarf. Die Zuständigkeit innerhalb der Geschäftsführung ist durch eine verbindliche Geschäftsordnung und einen verbindlichen Geschäftsverteilungsplan geregelt. Gesellschafterbeschlüsse werden mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag nicht Einstimmigkeit vorsehen. Beschlüsse, die der Einstimmigkeit der Gesellschafter bedürfen, betreffen im Wesentlichen die Auflösung der Gesellschaft, die Erhöhung des Stammkapitals, Änderungen des Gesellschaftsvertrages, Genehmigung der Übertragung von Geschäftsanteilen, Ausschließung eines Gesellschafters, Verabschiedung einer Geschäftsordnung und eines Geschäftsverteilungsplanes für die Geschäftsführung.
Die Y GmbH ging von einer Organschaft zu B aus, während das Finanzamt die Organschaft versagte.
Entscheidung
Bei einer Mehrheitsbeteiligung von mehr als 50 % und entsprechender Stimmrechtsmehrheit ist die finanzielle Eingliederung stets zu bejahen. Da B über 51 % der Anteile verfügte, hatte er auch die Stimmrechtsmehrheit. Nachdem das Stimmrecht durch den Gesellschaftsvertrag nicht derart eingeschränkt war, dass B nicht mehr über die Stimmrechtsmehrheit verfügte, ist von einer finanziellen Eingliederung der Y GmbH in das Einzelunternehmen B auszugehen.
Für die organisatorische Eingliederung muss die faktische Beherrschung grundsätzlich als ausreichend angesehen werden. Bei einem im Mehrheitsbesitz stehenden, finanziell eingegliederten Unternehmen wird vermutet, dass es von dem Mehrheitsgesellschafter beherrscht wird. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass die Geschäftsführungsorgane der finanziell beherrschten Gesellschaft im Regelfall den mutmaßlichen Willen des beherrschenden Gesellschafters ausführen werden. Diese Vermutung ist widerlegbar. Wird das Vorliegen der organisatorischen Eingliederung bestritten, so muss dies vom Finanzamt nachgewiesen werden.
Hinweis
Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen, die inzwischen auch unter dem Az. V R 26/06 beim BFH anhängig ist.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 02.03.2006, 14 K 157/04