Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Zum 1.7.2021 sind die Lieferungen an Abnehmer in anderen Mitgliedstaaten, bei denen es nicht zur Besteuerung eines innergemeinschaftlichen Erwerbs kommen kann, erheblich verändert worden. Um bei Lieferungen zwischen 2 Mitgliedstaaten der EU an Abnehmer, die keinen innergemeinschaftlichen Erwerb der Besteuerung unterwerfen müssen (dies sind regelmäßig Nichtunternehmer und besondere Unternehmer nach § 1a Abs. 3 UStG, die die Erwerbsschwelle nicht überschreiten), eine Besteuerung durch den liefernden Unternehmer im Bestimmungsstaat zu ermöglichen, ist nach § 3c Abs. 1 UStG der Ort der Lieferung dorthin verlagert worden, wo sich der Gegenstand am Ende der Beförderung befindet (innergemeinschaftlicher Fernverkauf). Um aber Unternehmer mit nur geringfügigen grenzüberschreitenden Umsätzen aus den sich daraus ergebenden zusätzlichen bürokratischen Anforderungen herauszuhalten, ist eine Bagatellgrenze von 10.000 EUR ("Umsatzschwelle") in § 3c Abs. 4 UStG aufgenommen worden.
Wesentliche Voraussetzung für die Anwendung der Sonderregelung für die Bestimmung des Orts der Lieferung nach § 3c Abs. 1 UStG als innergemeinschaftlicher Fernverkauf ist, dass ein Gegenstand bei einer Lieferung von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union gelangen muss.
Warenbewegung notwendig
Die Sonderregelung des § 3c UStG ist vorrangig vor der Regelung der Beförderungs- oder Versendungslieferung nach § 3 Abs. 6 UStG zu prüfen. Damit es aber zur Anwendung des § 3c UStG kommen kann, muss immer eine Warenbewegung aus einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat vorliegen. Deshalb kann die Lieferung von Gas, Elektrizität, Wärme und Kälte als unbewegte Lieferung nicht in den Anwendungsbereich des § 3c UStG fallen.
Sind die Voraussetzungen des § 3c Abs. 1 UStG erfüllt und kommt es auch nicht zur Anwendung der in § 3c Abs. 4 und Abs. 5 UStG geregelten Ausnahmen, ist der Ort der Lieferung dort, wo sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet (= Bestimmungslandprinzip).
Warenlieferung durch den Lieferer
Die Regelung des § 3c Abs. 1 UStG zu den innergemeinschaftlichen Fernverkäufen kann nur dann angewendet werden, wenn der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus einem Mitgliedstaat der EU in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet wurde. Ausdrücklich ist gesetzlich geregelt, dass eine indirekte Beteiligung an der Beförderung oder Versendung ausreichend ist.
Indirekte Beteiligung ist unionseinheitlich definiert
Eine indirekte (mittelbare) Beteiligung des liefernden Unternehmers an einer Beförderung oder Versendung ist über Art. 5a MwStSystRL-DVO unionseinheitlich definiert. Insbesondere liegt dies vor, wenn
- die Versendung oder Beförderung als Unterauftrag an einen Dritten vergeben wird,
- ein Dritter den Gegenstand befördert, der Lieferer aber die gesamte oder teilweise Verantwortung für den Warentransport trägt,
- der Lieferer dem Erwerber die Transportkosten in Rechnung stellt, diese einzieht und an den Dritten weiterleitet oder
- der Lieferer gegenüber dem Erwerber die Zustelldienste eines Dritten bewirbt, den Kontakt zwischen dem Erwerber und einem Dritten herstellt oder einem Dritten auf andere Weise Informationen übermittelt, die für die Zustellung der Gegenstände benötigt werden.
§ 3c Abs. 1 UStG kann aber nie zur Anwendung kommen, wenn der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung selbst befördert oder versendet (z. B. im Fall der Abholung).
Verkäufer muss Zielort kennen
Hintergrund der Regelung ist, dass der liefernde Unternehmer, auf den die Besteuerungsfolgen in dem Bestimmungsstaat zukommen, darüber informiert sein muss, dass die Gegenstände der Lieferung in den anderen Mitgliedstaat gelangen. Deshalb muss als wesentliche Voraussetzung für die Verlagerung des Orts der Lieferung an das Ende der Warenbewegung die Beförderung oder Versendung durch den leistenden Unternehmer erfolgen oder eben die indirekte Beteiligung daran erfüllt sein.
Voraussetzungen, die der Abnehmer erfüllen muss
Die Verlagerung des Orts der Lieferung in den Bestimmungsstaat soll nur dann zur Anwendung kommen, wenn das Bestimmungslandprinzip nicht durch die Besteuerung eines innergemeinschaftlichen Erwerbs durch den Käufer umgesetzt werden kann. Gesetzlich ist dies in § 3c Abs. 1 Satz 3 UStG so geregelt, dass zur Anwendung des § 3c Abs. 1 UStG der Leistungsempfänger zu einer der folgenden beiden Abnehmergruppen gehören muss:
- Der Erwerber ist ein in § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG bezeichneter Empfänger. Zu dieser Abnehmergruppe gehören Personen, die kein Unternehmer sind, für dessen Unternehmen die Leistung bezogen wird, sowie juristische Personen, die ausschließlich nichtunternehmerisch tätig sind und die auch keine USt-IdNr. haben.
- Der Erwerber ist eine in § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG genannte Person, die die Erwerbsschwelle nicht überschreitet und auch nicht auf die Anwendung der Erwerbsschwellenregelung verzichtet. In diese Abnehmergruppe gehören Kleinunternehmer (bi...