Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Gilt nur für Lieferungen bis 30.6.2021
Die bis 30.6.2021 geltende Regelung des § 3c UStG (sog. Versandhandelsregelung) war die Vorgängerregelung zu den innergemeinschaftlichen Fernverkäufen. Auch unter Anwendung dieser Regelung kam es zu einer Verlagerung des Orts der Lieferung an den Ort, an dem sich die Ware am Ende der Beförderung oder Versendung befunden hatte. Aufgrund landesspezifischer Lieferschwellen, die zur Verlagerung des Orts überschritten werden mussten, kam es in der Praxis aber häufig nicht zur Anwendung dieser Sonderregelung. War aber der Ort nach dieser Vorschrift in dem anderen Mitgliedstaat, musste der liefernde Unternehmer sich dort individuell der Besteuerung unterwerfen – eine Besteuerung über ein vereinfachtes (nationales) Verfahren war in diesen Fällen nicht möglich. Da die Versandhandelsregelung in Betriebsprüfungen für Sachverhalte bis zum 30.6.2021 noch von Bedeutung sein kann, werden hier noch die Grundzüge dargestellt.
Mit Einführung des Binnenmarkts 1993 wurde auch die Versandhandelsregelung für die Lieferung an Nichtunternehmer in anderen Mitgliedstaaten eingeführt, die (fast) unverändert bis zum 30.6.2021 anzuwenden war. Beförderte oder versandte ein Unternehmer an einen Nichtunternehmer oder einen besonderen Abnehmer nach § 1a Abs. 3 UStG, der die Erwerbsschwelle nicht überschritt und auch nicht auf die Anwendung der Sonderregelung verzichtete, in einen anderen Mitgliedstaat einen Gegenstand, verlagerte sich der Ort der Lieferung in den Bestimmungsmitgliedstaat, wenn der liefernde Unternehmer die landesspezifische Lieferschwelle überschritten hatte.
Lieferschwelle war landesspezifisch zu prüfen
Die Lieferschwelle wurde von jedem Mitgliedstaat im Rahmen einer unionsrechtlichen Vorgabe (reguläre Lieferschwelle von 100.000 EUR; abgesenkte Lieferschwelle von 35.000 EUR) individuell festgelegt. Erst wenn der liefernde Unternehmer die individuelle Lieferschwelle des jeweiligen Bestimmungsstaats überschritt, verlagerte sich der Ort der Lieferung in diesen Mitgliedstaat. Der Unternehmer konnte aber jeweils individuell auf die Anwendung der Lieferschwellenregelung verzichten – der Verzicht hat ihn 2 Jahre gebunden.
Voraussetzung für die Anwendung der Versandhandelsregelung war, dass der leistende Unternehmer den Gegenstand der Lieferung in den anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet hatte. Bei einer Abhollieferung durch den Leistungsempfänger konnte die Regelung des § 3c UStG – wie auch bei der seit dem 1.7.2021 geltenden Regelung zu den innergemeinschaftlichen Fernverkäufen – nicht angewendet werden.
War der Ort der Lieferung nach der Altfassung des § 3c UStG in dem anderen Mitgliedstaat, musste sich der liefernde Unternehmer individuell in dem anderen Mitgliedstaat umsatzsteuerrechtlich erfassen lassen und dort regelmäßig Anmeldungen und Jahressteuererklärungen abgeben. Eine zentrale Besteuerung (wie seit dem 1.7.2021 über die One-Stop-Shop-Regelung) war bis 30.6.2021 nicht möglich.
Ausnahmen galten aber – wie auch bei dem innergemeinschaftlichen Fernverkauf seit dem 1.7.2021 – bei der Lieferung neuer Fahrzeuge und verbrauchsteuerpflichtiger Waren.