Leitsatz
Unter ortsüblicher Miete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung ist die ortsübliche Bruttomiete – d.h. die Kaltmiete zuzüglich der nach der Betriebskostenverordnung umlagefähigen Kosten – zu verstehen.
Normenkette
§ 21 Abs. 2, § 9 Abs. 1 EStG
Sachverhalt
Die Kläger, Eheleute, vermieteten eine Wohnung an die Mutter des Klägers. Das FA berücksichtigte die Aufwendungen nur im Umfang von 62,28 %. Dies entspreche dem Verhältnis der Nettokaltmiete zur ortsüblichen Nettokaltmiete. Das FG folgte dieser Berechnung, ohne die Mietpreisspanne im Mietspiegel selbst zu bestimmen. Bei zutreffender Berücksichtigung der umlagefähigen Nebenkosten ergab sich nach den Berechnungen der Kläger eine (im Streitjahr relevante) Entgeltlichkeitsquote von über 75 %, nach Auffassung des FAs von unter 75 %. Der Grund für die Abweichung lag im Ansatz unterschiedlich hoher Vergleichsmieten nach dem örtlichen Mietspiegel.
Entscheidung
Der BFH hat die Entscheidung aufgehoben und dem FG (FG Düsseldorf, Urteil vom 22.6.2015, 4 K 2268/14 E) aufgegeben, die fehlenden Feststellungen anhand des Mietspiegels nachzuholen.
Hinweis
Die Entscheidung enthält an sich nichts Neues. Wie aus den Entscheidungsgründen ersichtlich, hat der BFH dieselbe Aussage bereits in einer nicht in BFHE veröffentlichten Entscheidung vom 25.7.2000 (BFH, IX R 6/97, BFH/NV 2001, 305) aufgestellt. Dass die Besprechungsentscheidung nun zur Veröffentlichung bestimmt worden ist, liegt daran, dass diese Rechtsprechung, obwohl sie in der Kommentarliteratur nicht kritisiert wird und auch den Richtlinien der Verwaltung entspricht, in der Praxis nicht hinreichend bekannt zu sein scheint.
a) § 21 Abs. 2 EStG verlangt, dass das Entgelt für die Überlassung der Wohnung zu Wohnzwecken der ortsüblichen Marktmiete gegenübergestellt wird. Diese Formulierung ist seit Einführung der Vorschrift im Jahr 1987 in allen ihren Fassungen unverändert geblieben. Davor kam die Rechtsprechung ohne gesetzliche Grundlage zu ähnlichen Ergebnissen (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 15. 12.1992, IX R 13/90, BStBl II 1993, 490 zum Streitjahr 1985). Aber worauf ist bei dem Vergleich abzustellen?
b) Intuitiv mag man geneigt sein, als "Entgelt für die Überlassung der Wohnung zu Wohnzwecken" nur die Nettokaltmiete anzusehen, denn über die Nebenkostenvorauszahlungen muss der Vermieter gegenüber dem Mieter abrechnen. Sie müssen sich außerdem an der Höhe seiner tatsächlichen Aufwendungen orientieren und haben somit für den Vermieter bei wirtschaftlicher Betrachtung eher den Charakter von durchlaufenden Posten. Aus praktischer Sicht liegt es zudem nahe, nur die Nettokaltmieten miteinander zu vergleichen, weil sich diese Vergleichsgröße unmittelbar aus dem Mietspiegel ermitteln lässt.
c) Die Rechtsprechung hat sich dennoch anders entschieden, m.E. zu Recht.
aa) Die Begründung ergibt sich zum einen aus dem BFH-Urteil vom 14.12.1999, IX R 69/98, BStBl II 2000, 197), auf das das o.g. Urteil vom 25.7.2000 verweist. Die Entscheidung betrifft zwar nicht § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG, begründet aber ausführlich, weshalb auch die Zahlungen des Mieters auf die Nebenkosten beim Vermieter zu steuerbaren Einnahmen i.S.v. § 8 EStG führen. Das ist auch zivilrechtlich richtig, denn die Nebenkosten sind Teil der vom Mieter zu entrichtenden Gegenleistung für die Überlassung der Wohnung zu Wohnzwecken. Wohnen kostet eben mehr als nur die Nettokaltmiete. Zwingend ist das Argument gleichwohl nicht, denn in § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG ist nicht von "Einnahmen" die Rede und der komplexe Ausdruck "Entgelt für die Überlassung der Wohnung zu Wohnzwecken", der an keiner anderen Stelle im EStG vorkommt, hätte im Kontext auch anders ausgelegt werden können.
bb) Richtig und notwendig erscheint die Entscheidung aber vor allem deshalb, weil sonst eine verbilligte Vermietung problemlos durch Verzicht auf das Geltendmachen von umlagefähigen Nebenkosten erreicht werden könnte. Müsste in diesem Fall die Aufteilung unterbleiben, wäre dies mit dem Zweck der Vorschrift nicht vereinbar.
d) Nicht zuletzt ist die Rechtsprechung für Vermieter günstig: Beträgt die vereinbarte Nettokaltmiete 600 EUR und die ortsübliche Vergleichsmiete (nettokalt) 1.000 EUR, wäre nach aktuellem Recht eine Aufteilung vorzunehmen (§ 21 Abs. 2 Satz 1 EStG; Quote: weniger als 66 %). Belaufen sich die Nebenkosten für die Wohnung auf 200 EURO pro Monat und werden sie mitberücksichtigt, sind die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt (800 EUR : 1.200 EUR = 66,67 %).
e) Bleibt die Frage, ob es auf die vereinbarte oder gezahlte Nebenkostenvorauszahlung oder auf die nach Abrechnung tatsächlich gezahlten Nebenkosten ankommt. Die Antwort ergibt sich – allerdings ohne Begründung – bei genauer Lektüre aus dem Urteil. Sie lautet: Weder noch! Maßgeblich sind vielmehr die umlagefähigen Nebenkosten. Welche Kosten umlagefähig sind, lässt sich konkret erst nach Ablauf des Abrechnungszeitraums beziffern. Auf die Höhe der Vorauszahlungen kommt es jedenfalls nicht an. Unerheblich ist auch, ob der Mieter die Neb...