Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestehen einer Befreiung von der sofortigen Zahlungsverpflichtung bereits durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrensüber das Vermögen des Abgabengläubigers. Insolvenzschuldner als persönlicher Beitragschuldner mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids
Leitsatz (amtlich)
1. Die durch ein erfolgreiches vorläufiges Rechtsschutzverfahren gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO bewirkte Befreiung von der sofortigen Zahlungsverpflichtung besteht bereits durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Abgabengläubigers mit der Folge, dass dem Insolvenzschuldner das Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens fehlt.
2. Mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides bleibt der Insolvenzschuldner, nicht aber der -verwalter persönlicher Beitragsschuldner.
Normenkette
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 5 S. 1; InsO §§ 49, 87, 89 Abs. 1, § 185; AO § 251 Abs. 2 S. 1
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Die Einwände des Antragstellers gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben zu einer Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung keinen Anlass.
Ohne Erfolg rügt der Antragsteller, dass das Verwaltungsgericht seinen Antrag, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO von Gesetzes wegen sofort vollziehbaren Beitragsbescheid des Antragsgegners vom 13. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2009 anzuordnen, mangels Rechtsschutzbedürfnisses abgelehnt hat.
Das allgemeine Prinzip, dass jede an einen Antrag gebundene gerichtliche Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraussetzt (vgl. BVerfG, Urt. v. 19.10.1982 – 1 BvL 34/80, 1 BvL 55/80 –, zit. nach […]), soll den Missbrauch prozessualer Rechte verhindern. Es sollen Verfahren ausgeschlossen werden, in denen der Rechtsschutzsuchende eine Verbesserung seiner Rechtsstellung nicht erreichen kann (BVerwG, Urt. v. 28.08.1987 – BVerwG 4 N 3.86 –, zit. nach […]). Diesen rechtlichen Vorteil verneint das Verwaltungsgericht im Falle der Insolvenzeröffnung im Hinblick auf Sinn und Zweck eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens i.S.d. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, bei der Anfechtung von Abgabenbescheiden von der Verpflichtung zur sofortigen Zahlung der Abgabe verschont zu bleiben, weil bereits durch § 87 InsO und das danach geltende Vollstreckungsverbot außerhalb des Insolvenzverfahrens sichergestellt werde, dass Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften der Insolvenzverordnung verfolgen könnten.
Soweit der Antragsteller dagegen einwendet, sein vorläufiger Rechtsschutzantrag habe schon deswegen Erfolg haben müssen, weil das Verwaltungsgericht zu dem Schluss gekommen sei, dass mit dem angefochtenen Widerspruchsbescheid ein Leistungsgebot nicht habe festgesetzt bzw. der angefochtene Widerspruchsbescheid nicht habe erlassen werden dürfen, ist dem entgegen zu halten, dass das Verwaltungsgericht im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Rechtmäßigkeit des Widerspruchsbescheides gerade nicht abschließend geprüft hat. Vielmehr hat es „dahinstehen” lassen, ob der Antragsgegner zum Erlass des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2009 befugt gewesen ist (vgl. S. 3 und 5, jeweils 2. Absatz, des angefochtenen Beschlusses).
Ohne Erfolg wendet sich der Antragsteller gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass ihm mit der begehrten Anordnung der aufschiebenden Anordnung kein (weitergehender) rechtlicher Vorteil verschafft werde.
Dem Antragsteller ist zwar insoweit beizupflichten, dass ihn die gerichtliche Aufhebung der sofortigen Vollziehung von der durch § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO begründeten Verpflichtung zur sofortigen Zahlung der Abgabe verschont, weil die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO jede Art der Realisierung des Verwaltungsakts erfasst, also auch die sofortige Durchsetzung einer Beitragsforderung (so schon OVG LSA, Beschl. v. 07.11.2008 – 4 L 240/07 –, zit. nach […], m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 80 RdNrn. 23, 30; Schoch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 RdNrn. 85 ff.).
Diese durch ein erfolgreiches vorläufiges Rechtsschutzverfahren gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO bewirkte Befreiung von der sofortigen Zahlungsverpflichtung besteht allerdings – worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hinweist – bereits durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Abgabengläubigers; denn gemäß § 89 Abs. 1 InsO sind Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig. Insoweit ergänzt diese Vorschrift, die dem Grundsatz Ausdruck verleiht, dass das Insolvenzverfahren als Gesamtvollstreckungsverfahren die Einzelzwangsvollstreckung verdrängt, den gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 6a) KAG LSA i.V.m. § 251 Abs. 2 Satz 1 AO auf die Geltendmachung von Ansprüchen aus ei...