Dr. Gerlind Wendt, Michael Wendt
Leitsatz
1. Eine Personengesellschaft, die sich aus Angehörigen unterschiedlicher freier Berufe zusammensetzt, ist nicht bereits vom Grundsatz her als gewerbliche Mitunternehmerschaft einzustufen.
2. Eine aus einem wissenschaftlichen Dokumentar und einem Arzt bestehende GbR kann freiberuflich tätig sein, wenn die Gesellschafter nur auf ihrem jeweiligen Fachgebiet tätig werden und ihre Arbeitsergebnisse in ein Gutachten einbringen, das für einen Auftraggeber der GbR bestimmt ist.
3. Ein Diplom-Dokumentar (FH) ist in der Regel nicht wissenschaftlich tätig.
Normenkette
§ 2 Abs. 1 GewStG , § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Ein Arzt hatte gemeinsam mit seiner Frau eine GbR gegründet, die sich mit der Erstellung von Gutachten für die pharmazeutische Industrie über die Erforschung und Entwicklung neuer Medikamente beschäftigte. Die Ehefrau hatte eine Ausbildung zur Diplom-Bibliothekarin absolviert und später im medizinisch-wissenschaftlichen Bereich eines pharmazeutischen Unternehmens als Dokumentarin gearbeitet.
Während das FA die von der GbR erzielten Einkünfte als gewerblich ansah, weil die Ehefrau keine Freiberuflerin sei, gab das FG der Klage gegen den Gewerbesteuer-Messbescheid statt. Auf Grund der Beweisaufnahme stand für das FG fest, dass die Ehefrau wissenschaftlich tätig gewesen sei.
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil auf und verwies das Verfahren an das FG zurück.
Zutreffend sei das FG zwar davon ausgegangen, dass eine GbR gewerbesteuerpflichtig sei, wenn nicht alle Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllten. Die Beteiligung einer berufsfremden Person als Mitunternehmer führe zur Gewerblichkeit der ganzen Mitunternehmerschaft.
Eine Gewerblichkeit folge allerdings nicht bereits daraus, dass Angehörige verschiedener freier Berufe Mitunternehmer seien. Es reiche aus, wenn die Mitunternehmer die mit einem Auftrag übernommenen Arbeiten aufteilten und jeder Berufsträger den ihm zugewiesenen Sachbereich auf Grund seiner Sachkenntnis eigenverantwortlich leite. Derartige Zusammenschlüsse seien berufsrechtlich vom Gesetzgeber teilweise ausdrücklich zugelassen (z.B. Sozietät von Steuerberater und Rechtsanwalt). Als freiberufliche Tätigkeit in diesem Sinn komme auch die wissenschaftliche Tätigkeit in Betracht, also eine hochstehende, besonders qualifizierte Arbeit, die dazu geeignet ist, schwierige Streit- und Grenzfälle nach streng objektiven und sachlichen Gesichtspunkten zu lösen.
Jedoch rechtfertigten die vom FG festgestellten Tatsachen bisher nicht die Annahme, dass die Ehefrau wissenschaftlich tätig gewesen sei. Ein wissenschaftliches Studium habe die Ehefrau nicht absolviert, was in der Regel für den Beruf des wissenschaftlichen Dokumentars erforderlich sei. Dass die Kenntnisse eines wissenschaftlichen Dokumentars auch durch langjährige Praxis erworben werden könnten, sei zwar denkbar, bisher aber vom FG nicht festgestellt.
Hinweis
Dass die Beteiligung Berufsfremder zur Gewerblichkeit einer ansonsten aus Freiberuflern bestehenden Personengesellschaft führt, ist seit langem bekannt. Die Berufsträger haben sich darauf eingerichtet. Ob es von Bedeutung ist, dass eine Personengesellschaft aus Freiberuflern unterschiedlicher Fachrichtung besteht, hat der BFH jetzt erstmals ausdrücklich verneinend entschieden. Die Praxis ist bei den bekannten Zusammenschlüssen von Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern bislang stillschweigend davon ausgegangen, dass die gemeinschaftlich erzielten Einkünfte solche aus freiberuflicher Tätigkeit darstellen. Nun hat der BFH diese Auffassung bestätigt.
Bis zum Jahr 2000 war es Ziel aller Gestaltungen, die Gewerblichkeit der Personengesellschaft aus Freiberuflern zu verhindern. Deshalb wurde genau beachtet, dass nur Berufsträger, im Fall eines Zulassungsberufs nur zugelassene Berufsangehörige als Mitunternehmer aufgenommen wurden. Ab 2001 kann sich dieses Gestaltungsziel in sein Gegenteil verkehren. Liegt der Sitz der Personengesellschaft in einer Gemeinde mit einem Gewerbesteuer-Hebesatz von ca. 350 % oder weniger, kann nach dem neuen Gewerbesteuer-Anrechnungsmodell gem. § 35 EStG der Wechsel in die Gewerblichkeit zu einer insgesamt geringeren Steuerbelastung führen. Hier würde es sich ggf. anbieten, gezielt einen Nicht-Berufsangehörigen in die Mitunternehmerschaft aufzunehmen, um dadurch die Einkünfte der Mitunternehmerschaft zu solchen aus Gewerbebetrieb zu machen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.11.2000, IV R 48/99