Leitsatz
Es ist ernstlich zweifelhaft, den Begriff der "Pflegekosten" i.S.d. § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG mit "Kosten eines Pflegefalles" gleichzusetzen und damit auch die Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung zu berücksichtigen.
Normenkette
§ 4 Nr. 16 Buchst. e UStG
Sachverhalt
Die Antragstellerin betrieb im Streitjahr ein Kurzzeitpflegeheim, in dem sie pflegebedürftige Menschen für kurze Zeiträume (meist 4 Wochen, zum Teil auch mehrfach im Jahr) stationär aufnahm und pflegerisch versorgte. In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr gab sie keine steuerpflichtigen Umsätze an, da sie für die von ihr erbrachten Umsätze die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 16 Buchst. e des UStG 1993 in Anspruch nahm.
Das FA behandelte dagegen die Umsätze als steuerpflichtig, weil im vorangegangenen Kalenderjahr (1996) die Pflegekosten nicht in mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden seien, wie dies nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG erforderlich sei. Das FA war davon ausgegangen, dass zu diesen Kosten bei einer Unterbringung in einer Kurzzeitpflegeeinrichtung die in Rechnung gestellten Aufwendungen insbesondere für Unterkunft, Verpflegung, Betreuung, Grundpflege und krankenpflegerische Versorgung gehörten. Nur unter dieser Annahme war die 40%-Grenze überschritten.
Demgegenüber vertritt die Antragstellerin die Auffassung, unter "Pflegekosten" i.S.d. § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG seien nur die pflegebedingten Aufwendungen, nicht aber die Kosten für Unterkunft und Verpflegung zu verstehen. Unter dieser Annahme war die 40%-Grenze nicht überschritten.
Entscheidung
Der BFH habe noch nicht entschieden, wie der Begriff der "Pflegekosten" i.S.d. § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG auszulegen ist. Auch die Gesetzesbegründung zu dieser Vorschrift (vgl. BT-Drucks. 12/1506, S. 178) gebe insofern keinen Aufschluss. Dafür, unter dem Begriff "Pflegekosten" nur die (reinen) Kosten der Pflege, nicht aber auch die Kosten für Unterkunft und Verpflegung zu verstehen seien, spräche der Wortsinn des Begriffs "Pflegekosten" sowie der dargelegte Zweck des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG.
Die für den Erlass des angefochtenen Bescheids maßgebende Auslegung des FA und des BMF, die den Begriff der "Pflegekosten" i.S.d. § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG mit "Kosten eines Pflegefalls" gleichsetzten und auch die Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung berücksichtigten, sei deshalb bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung zweifelhaft.
Hinweis
Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG hängt maßgeblich davon ab, dass bei den dort genannten Einrichtungen die Pflegekosten in mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind.
Die Verwaltung vertritt in Abschnitt 99a Abs. 5 UStR die Auffassung, dass zu den Kosten eines Pflegefalls die bei der Unterbringung in einer Kurzzeitpflegeeinrichtung in Rechnung gestellten Aufwendungen insbesondere für Unterkunft, Verpflegung, Betreuung, Grundpflege und krankenpflegerische Versorgung mit gehören. Je nachdem, ob man diese Kosten mit zu den Pflegekosten i.S.d. § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG zählt oder aber – wie die Antragstellerin in dem vorliegenden Verfahren geltend machte – außen vorlässt, kann die 40%-Grenze des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG unter- oder überschritten sein.
Der BFH hat in dem summarischen Verfahren eines Antrags auf AdV nunmehr ernstliche Zweifel an der bisherigen Verwaltungsauffassung, wie sie sich in Abschnitt 99a Abs. 5 UStR widerspiegelt, geäußert. Es spräche viel dafür, den Begriff der Pflegekosten i.S.d. § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG auf die reinen Kosten der Pflege zu beschränken, wozu eben nicht die Kosten für Unterkunft und Verpflegung gehörten.
Angesichts der durch den BFH geäußerten Zweifel sollten Sie entsprechende Fälle in jedem Fall offen halten.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 8.11.2000, V B 72/00