Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
2.1 Sachverhalt
Tischlerin T betreibt in Trier in der Rechtsform eines Einzelunternehmens eine Tischlerei. Ihre Tätigkeit übt sie auf einem ihr gehörenden Grundstück in einer Werkstatt und einer größeren Werkhalle aus. Auf dem ihr ebenfalls gehörenden Nachbargrundstück bewohnt T zusammen mit ihrer Familie ein ausschließlich privat genutztes Einfamilienhaus. T möchte auf der Werkhalle im Jahr 2023 eine Photovoltaikanlage errichten, die nach Aussage des installierenden Unternehmers (W) 25 kW (peak) Leistung haben wird, die Anlage soll von W betriebsfertig installiert werden. Die Abnahme der Anlage ist für August 2023 geplant. Nach sachgerechter Schätzung geht T davon aus, dass von der erzeugten Strommenge 30 % in das öffentliche Netz eingespeist werden, 40 % für ihre unternehmerische Tätigkeit als Tischlerin und 30 % für ihr privat genutztes Einfamilienhaus verwendet werden.
2.2 Fragestellung
T möchte wissen, welche Konsequenzen sich für sie aus dem geschilderten Sachverhalt ergeben, wenn sie
- die Photovoltaikanlage alleine erwirbt oder
- die Anlage zusammen mit ihrem volljährigen Sohn als GbR erwirbt und betreibt.
2.3 Lösung
T ist Unternehmer, da sie selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig ist; zu dem Rahmen ihrer unternehmerischen Betätigung gehört die Tischlerei sowie – wenn sie die Photovoltaikanlage selbst betreibt – die gewerbliche Tätigkeit des Stromhandels; es liegt in diesem Fall ein einheitliches Unternehmen vor. Da sie mit ihrer Tätigkeit als Tischlerin im vorangegangenen Kalenderjahr wohl mehr als 22.000 EUR Gesamtumsatz erzielt hat, kommt für sie die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung nicht in Betracht.
Die Photovoltaikanlage wird von W im Rahmen eines einheitlichen Vorgangs geliefert. Da er sowohl die Verschaffung der Verfügungsmacht als auch die betriebsfertige Installation der Anlage schuldet, handelt es sich um eine Werklieferung nach § 3 Abs. 4 UStG – W verschafft Verfügungsmacht und verwendet bei der Ausführung der Leistung nicht nur Nebensachen oder Zutaten. Die Lieferung wird mit Abnahme der installierten Anlage bewirkt und ist damit nach § 3 Abs. 5a i. V. m. Abs. 7 Satz 1 UStG dort ausgeführt, wo der Gegenstand sich zum Zeitpunkt der Ausführung der Lieferung befindet – in Trier, Inland nach § 1 Abs. 2 UStG. Die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbare Leistung unterliegt auch keiner Steuerbefreiung nach § 4 UStG, sodass es sich um einen steuerpflichtigen Umsatz handelt.
Die Lieferung der Photovoltaikanlage unterliegt aber nach § 12 Abs. 3 Nr. 1 UStG dem Steuersatz von 0 %, da
- es sich um die Lieferung von Solarmodulen einschließlich der für den Betrieb notwendigen Komponenten (als einheitliche Leistung) handelt,
- die Lieferung an die Betreiberin der Anlage ausgeführt wird und
- es sich um eine begünstigte Anlage i. S. d. Regelung handelt – da es sich um eine Anlage von 25 kW (peak) handelt, gilt die objektbezogene Begünstigungsvoraussetzung fiktiv als erfüllt.
Individuelle Prüfung der objektbezogenen Voraussetzung erst bei mehr als 30 kW
Ob die Anlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, errichtet wird, muss erst dann geprüft werden, wenn die Anlage mehr als 30 kW (peak) Leistung hat. Wenn im vorliegenden Fall die Anlage mehr als 30 kW Leistung hätte, wäre ein Zusammenhang mit einem solchen begünstigten Gebäude nicht vorhanden, da zu dem Einfamilienhaus kein räumlicher oder funktionaler Zusammenhang besteht, da es sich um ein "Nachbargrundstück" handelt.
Im Ergebnis entsteht aus der (Werk-)Lieferung der Photovoltaikanlage gegenüber T keine Umsatzsteuer, ein Vorsteuerabzug kann sich damit für T nicht ergeben.
Da die Photovoltaikanlage zu 40 % für private Zwecke verwendet wird, handelt es sich um einen gemischt genutzten Gegenstand, für den es ein Zuordnungswahlrecht zum Unternehmen gibt.
Dokumentation der Zuordnungsentscheidung über Stromeinspeisevertrag
Obwohl die Zuordnung der Anlage aufgrund des nicht vorhandenen Vorsteuerabzugs nicht mehr von besonderer umsatzsteuerrechtlicher Bedeutung ist, kann sich immer noch ein Streitfall über die Zuordnung ergeben, wenn es später um den Vorsteuerabzug z. B. aus Wartungskosten geht. Sollte die Anlage dem Unternehmen zugeordnet werden, müsste die Dokumentation der Zuordnungsentscheidung bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist der Umsatzsteuerjahreserklärung (für 2023 ist dies – wegen eines Wochenendes – der 2.9.2024) erfolgen. Nach der Rechtsprechung des BFH muss die Zuordnung aber nicht innerhalb dieser Frist gegenüber dem Finanzamt dokumentiert werden, sondern kann sich aus objektiven Nachweisen Dritten gegenüber – z. B. Abschluss eines Stromeinspeisevertrags – ergeben.
Die Photovoltaikanlage wird von T für verschiedene Zwecke verwendet, die zu unterschiedlichen umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen führen:
- Der erzeugte Strom wird zu 40 % für ihre (eigene) unternehmerische Tätigkeit als Tischler...