Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
3.1 Sachverhalt
Pensionär P aus Paderborn hatte im Jahr 2021 eine neue Photovoltaikanlage auf einem zusammen mit seiner Ehefrau bewohnten Einfamilienhaus installieren lassen (Aufdachanlage). Für die Anlage, die von ihm am 30.6.2021 von dem Installateur abgenommen wurde, wurden ihm in ordnungsgemäßer Rechnung 25.000 EUR zzgl. 19 % Umsatzsteuer ausgewiesen. Da P den Vorsteuerabzug geltend machen wollte, verzichtete er gegenüber seinem Finanzamt auf die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung. P rechnet jährlich mit einer Nettovergütung aus Einspeisung des Stroms von 500 EUR, von dem selbst erzeugten Strom werden 4.000 kWh privat verbraucht, bei seinem lokalen Stromversorger müsste P 0,40 EUR/kWh (incl. anteiligem Grundpreis) bezahlen.
3.2 Fragestellung
P möchte wissen, welche umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen sich für ihn ergeben, wenn er im Jahr 2023 die Anlage
- wie bisher selbst betreiben würde,
- an seine bisher nichtunternehmerisch tätige Ehefrau F übertragen würde, die die Kleinunternehmerbesteuerung anwenden würde oder
- aus seinem Unternehmen in seinen Privatbereich entnehmen würde.
Aus Vereinfachungsgründen ist davon auszugehen, dass die Übertragung bzw. Entnahme der Anlage zum 1.1.2023 realisiert worden wäre.
3.3 Lösung
P ist Unternehmer, da er selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig ist; zu dem Rahmen seiner unternehmerischen Betätigung gehört die Erzeugung von Strom.
Kleinunternehmereigenschaft liegt vor
P erfüllt die Voraussetzungen für die Kleinunternehmereigenschaft. Bei Unternehmensgründung im Jahr 2021 darf der Gesamtumsatz – hochgerechnet auf einen Jahresumsatz – nicht mehr als 22.000 EUR betragen. Da diese Gesamtumsatzgrenze eindeutig unterschritten wird, ist P Kleinunternehmer. Nach den Sachverhaltsangaben hat er aber nach § 19 Abs. 2 UStG zulässigerweise auf die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung verzichtet. Er ist aufgrund des zulässigen Verzichts für 5 Jahre an die Regelbesteuerung gebunden.
Die Installation der Photovoltaikanlage im Jahr 2021 war eine steuerbare und steuerpflichtige Werklieferung des leistenden Unternehmers, die zu 19 % Umsatzsteuer führte (= 4.750 EUR). Da P auf die Kleinunternehmerbesteuerung verzichtet hatte, war er 2021 zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt. Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist, dass die sowohl unternehmerisch als auch privat genutzte Anlage dem Unternehmen vollständig zugeordnet worden ist.
Die Aufdachanlage gilt als eigenständiges Berichtigungsobjekt mit einem 5-jährigen Berichtigungszeitraum – der Berichtigungszeitraum läuft damit vom 1.7.2021 – 30.6.2026.
1. Eigener Weiterbetrieb im Jahr 2023
Betreibt P die Photovoltaikanlage im Jahr 2023 unter den genannten Bedingungen weiter, muss sowohl die Einspeisung des Stroms als auch der Eigenverbrauch umsatzsteuerrechtlich geprüft werden.
Die Einspeisung des Stroms stellt eine unternehmerische Leistung dar, die in der Lieferung von Elektrizität besteht. Der Ort der Lieferung ist dort, wo der Stromversorger als Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt, hier in Paderborn, sodass die Stromlieferung steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ist. Die Lieferung ist auch nicht steuerfrei nach § 4 UStG. Die Lieferung der Elektrizität erfolgt zum Regelsteuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG zu 19 % Umsatzsteuer. Da P netto 500 EUR für die eingespeiste Strommenge erhalten soll, ergibt sich eine Umsatzsteuer von (500 EUR x 19 % =) 95 EUR. P schuldet gegenüber seinem Finanzamt als Steuerschuldner 95 EUR Umsatzsteuer.
Verzicht auf die Kleinunternehmereigenschaft muss Versorger mitgeteilt werden
Der Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung muss dem Versorger mitgeteilt werden. Regelmäßig wird die eingespeiste Strommenge durch den Versorger mit Gutschrift abgerechnet. Die Umsatzsteuer wird vom Versorger nur dann mit ausgezahlt, wenn ihm der Verzicht auf die Kleinunternehmerbesteuerung bekannt ist.
Wenn P die Anlage dem Unternehmen vollständig zugeordnet hatte, führt der private Verbrauch des Stroms zu einem "Eigenverbrauch" (gilt als Lieferung gegen Entgelt nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG). Da P aus dem Erwerb der Anlage zum Vorsteuerabzug berechtigt war, steht § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG dem auch nicht entgegen.
Wesentlicher Unterschied zu den im Jahr 2023 abgenommenen Anlagen
In der Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe (Eigenverbrauch des Stroms) besteht eine der wesentlichen Unterschiede zwischen den bis Ende 2022 gelieferten/abgenommenen Anlagen und den "Neuanlagen". Da bei den Neuanlagen aufgrund des Nullsteuersatzes keine Umsatzsteuer entstanden ist, konnte auch keine Vorsteuer abgezogen werden. Deshalb unterliegt der Eigenverbrauch des Stroms wegen § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG auch keiner Besteuerung.
Die Entnahme des Stroms ist dort ausgeführt, wo der Verbrauch stattfindet, hier in Paderborn. Der Eigenverbrauch ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und unterliegt auch keiner Steuerbefreiung nach § 4 UStG. Die Bemessungsgrundlage bestimmt sich nach § 10 Abs. 4 S...