Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
4.1 Sachverhalt
B errichtet in 2022 eine neue Photovoltaikanlage auf einer seiner Ehefrau gehörenden Scheune. In der Scheune werden die privat gehaltenen Pferde der Familie untergestellt. B hat die Dachfläche für monatlich marktgerechte 100 EUR von seiner Ehefrau über die vermutete betriebsgewöhnliche Nutzungszeit der Photovoltaikanlage angemietet. Damit die Photovoltaikanlage auch auf dem Dach der Scheune installiert werden kann, muss eine Verstärkung des Unterbaus vorgenommen werden. In diesem Zusammenhang wird auch die Scheune neu mit Dachziegeln eingedeckt. Für die Arbeiten, die ohne die Installation der Photovoltaikanlage nicht notwendig gewesen wären, werden B 20.000 EUR zzgl. gesondert ausgewiesener USt berechnet.
Die Dachfläche, die für die Photovoltaikanlage benötigt wird, macht ca. 1/3 der nutzbaren Dachfläche aus, die restliche Dachfläche könnte auch für Photovoltaikanlagen verwendet werden. Für eine vergleichbare Scheune könnte man für die Unterstellung von Pferden monatlich 1.000 EUR erzielen.
4.2 Fragestellung
B möchte wissen, in welchem Umfang er aus der Rechnung des Dachdeckers zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
4.3 Lösung
B wird mit der Errichtung und dem Betrieb der Photovoltaikanlage zum Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG. Die Photovoltaikanlage wird er unter den oben dargestellten Voraussetzungen dem Unternehmen zuordnen können. Fraglich ist die Möglichkeit der Zuordnung der ihm gegenüber ausgeführten Dachdeckerleistungen. Die Dachdeckerleistungen stellen B gegenüber ausgeführte Werklieferungen dar, die nach den allgemeinen Grundsätzen dem Unternehmen des B zuzuordnen sind. Dabei ist nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG erforderlich, dass die Leistung zu mindestens 10 % für seine unternehmerischen Zwecke verwendet wird. Der BFH hat dazu festgestellt, dass für die Berechnung der Verwendung für die unternehmerischen Zwecke die Verwendungsmöglichkeit des gesamten Gebäudes berücksichtigt werden muss. Zur Ermittlung des unternehmerischen Nutzungsanteils kommt nach der Rechtsprechung des BFH im Wege einer sachgerechten Schätzung ein Umsatzschlüssel in Betracht, bei dem ein fiktiver Vermietungsumsatz für den nichtunternehmerisch genutzten inneren Teil des Schuppens einem fiktiven Umsatz für die Vermietung der Dachfläche an einen Dritten zum Betrieb einer Photovoltaikanlage gegenübergestellt wird. Da für die Vermietung des Schuppens monatlich 1.000 EUR als Miete erzielbar wären und offensichtlich für die Vermietung der gesamten Dachfläche (3 x 100 EUR) 300 EUR erzielt werden könnten – es wird nur 1/3 der möglichen Dachfläche vermietet –, wären insgesamt 1.200 EUR monatlich als Mieteinnahmen zu erzielen. Da für die tatsächliche Dachnutzung 100 EUR eingenommen werden, ergibt sich die unternehmerische Verwendung mit (100 EUR : 1.200 EUR x 100 =) 8,33 %. Damit unterschreitet die unternehmerische Verwendung die Grenze von 10 % nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG. Die Dachdeckerleistung kann damit dem Unternehmen des B nicht zugeordnet werden, ein Vorsteuerabzug aus der Leistung des Dachdeckers ist nicht möglich.
Kein Zuordnungswahlrecht bei unternehmerischer Mindestnutzung
Wenn die Dachdeckerleistung zu mindestens 10 % für die unternehmerischen Zwecke verwendet werden würde, würde eine volle Zuordnung der Leistung (Zuordnungswahlrecht) nach der Rechtsprechung des BFH nicht in Betracht kommen. Das Recht des B an dem Gebäude beschränkt sich nur auf die angemietete Dachteilfläche. Eine weitergehende Zuordnung von Gebäudeteilen wird durch die nur eingeschränkte Anmietung ausgeschlossen.