Dipl.-Finanzwirt Christian Ollick
Leitsatz
Das FG München entschied, dass ein mit Pilatesgeräten ausgestattetes Trainingszimmer in der Privatwohnung einer Pilatestrainierin ein betriebsstättenähnlicher Raum ist, dessen Kosten unbegrenzt als Betriebsausgaben abgezogen werden können.
Sachverhalt
Die Klägerin erzielte gewerbliche Einkünfte aus einer Tätigkeit als Pilatestrainierin. Ihre Kurse hatte sie in einem Zimmer ihrer Privatwohnung angeboten, das mit Pilatesgeräten ausgestattet war. Um in das Zimmer zu gelangen, mussten die Kunden ein Durchgangszimmer durchqueren, das dem privaten Wohnbereich zuzuordnen war.
Fraglich war, ob der Trainingsraum ein häusliches Arbeitszimmer war, sodass die Raumkosten den Abzugsbeschränkungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG unterliegen oder ob ein betriebsstättenähnlicher Raum vorlag, dessen Kosten unbeschränkt abzugsfähig sind.
Entscheidung
Das FG stufte das Trainingszimmer als unbegrenzt abziehbaren betriebsstättenähnlichen Raum ein.
Häusliche Arbeitszimmer sind ihrer Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden und dienen vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, verwaltungstechnischer oder -organisatorischer Arbeiten. Typischerweise ist ein häusliches Arbeitszimmer mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück ist. Kosten für Räume, die diesem Raumtypus nicht entsprechen, können steuerlich unbegrenzt abzugsfähig sein, wenn sie betrieblich bzw. beruflich genutzt werden und sich der betriebliche bzw. berufliche Charakter des Raumes und dessen Nutzung anhand objektiver Kriterien feststellen lassen. Solche betriebsstättenähnlichen Räume unterfallen nicht den für häusliche Arbeitszimmer geltenden Abzugsbeschränkungen, weil bei ihnen aufgrund der Ausstattung (z. B. als Werkstatt) oder ihrer Zugänglichkeit für dritte Personen eine private Mitbenutzung ausgeschlossen werden kann. Müssen Kunden und Geschäftspartner ein dem privaten Bereich zuzuordnendes Durchgangszimmer durchqueren, um in den betrieblich genutzten Raum zu gelangen, kann dennoch ein betriebsstättenähnlicher Raum gegeben sein, wenn die dadurch gegebene räumliche Verbindung zu den privat genutzten Räumen angesichts der Ausstattung des Raums und der tatsächlichen betrieblichen Nutzung nicht entscheidend ins Gewicht fällt. Dies war nach Gerichtsmeinung vorliegend der Fall.
Hinweis
Im Urteil BFH, Urteil v. 29.1.2020, VIII R 11/17, hat eine selbstständige Augenärztin durchgesetzt, dass die Kosten für einen Behandlungsraum im Keller ihres privaten Einfamilienhauses komplett als (Sonder-)Betriebsausgaben anzuerkennen sind. Die Bundesrichter entschieden, dass der Behandlungsraum aufgrund seiner Ausstattung und Nutzung ein betriebsstättenähnlicher Raum war. Der Raum war u. a. mit einer Klappliege, einer speziellen Lampe, einer Sehtafel, einem Medizinschrank und Instrumenten ausgestattet; zudem hatte die Ärztin dort nachweislich eine erhebliche Zahl von Patienten behandelt. Eine private Mitnutzung des Raumes konnte somit praktisch ausgeschlossen werden. Zwar mussten die Patienten hier ebenfalls zunächst Flure des Privatbereichs durchqueren, um in den Behandlungsraum zu gelangen; die hierdurch gegebene räumliche Verbindung zu den privaten Räumen war nach Gerichtsmeinung aber gering ausgeprägt; sie fiel angesichts der Ausstattung und tatsächlichen beruflichen Nutzung des Raums ebenfalls nicht entscheidend ins Gewicht.
Link zur Entscheidung
FG München, Gerichtsbescheid v. 02.03.2021, 10 K 1251/18