Leitsatz
Die Finanzverwaltung hat sich bisher immer auf den Standpunkt gestellt, dass gewillkürtes Betriebsvermögen nur bei bilanzierenden Steuerpflichtigen zulässig sei, während bei der Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschuss-Rechnung ein Wirtschaftsgut nur dann zum Betriebsvermögen rechne, wenn es sich um notwendiges Betriebsvermögen handle. Dem ist nun das FG des Landes Sachsen-Anhalt mit der Entscheidung entgegengetreten, dass bei einer freiberuflichen Praxis auch ein mit 10 % betrieblich genutztes Fahrzeug Betriebsvermögen sein kann.
Sachverhalt
Eine Zahnärztin ermittelte ihren Gewinn durch Einnahme-Überschuss-Rechnung. Den im Anlagenverzeichnis erfassten PKW nutzte sie zu 10 % für betriebliche Zwecke. In der Gewinnermittlung hat sie die angefallenen Kfz-Kosten zu 100 % als Betriebsausgaben abgezogen und wegen der privaten Nutzung des PKW von der 1-Prozent-Regelung gemäß § 6 Absatz 1 Nr. 4 EStG Gebrauch gemacht. Aufgrund dieser Vorgehensweise wurden per Saldo ca. 60 % der Fahrzeugkosten als Betriebsausgaben abgezogen. Das Finanzamt erkannte nach einer Betriebsprüfung neben den Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb nur 10 % der auf das Kfz entfallenden Kosten als Betriebsausgaben an. Die Anwendung von § 6 Absatz 1 Nr. 4 EStG bei gleichzeitiger voller Berücksichtigung der Kfz-Kosten lehnte das Finanzamt mit der Begründung ab, das KFZ könne wegen der geringen betrieblichen Nutzung allenfalls gewillkürtes Betriebsvermögen sein. Steuerpflichtige, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, dürften jedoch gemäß 13 Abs. 16 EStR 1996/1998 kein gewillkürtes Betriebsvermögen (BV) bilden.
Entscheidung
Das FG hat sich gegen die Auffassung des Finanzamts gestellt und entschieden, dass die Steuerpflichtige die auf das Fahrzeug entfallenden Kosten in vollem Umfang als Betriebsausgaben abziehen und hinsichtlich der Privatnutzung von der 1-Prozent-Regelung Gebrauch machen darf. Das Gericht räumt zwar ein, dass die Frage, ob bei der Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschuss-Rechnung gewillkürtes Betriebsvermögen möglich ist, umstritten sei und vom BFH bisher abgelehnt wurde. Im Urteil vom 22. September 1993 hat der BFH allerdings erstmals Bedenken an der bisherigen Rechtsprechung geäußert (BFH, Urteil v. 22. 9.1993, X R 37/91 BFHE 172, 354, BStBl II 1994, 172). Im konkreten Fall ließ er aber die Bildung von gewillkürten BV an der ungenügenden buchmäßigen Nachvollziehbarkeit der betrieblichen Zuordnung scheitern. In einem anderen Urteil hat er die hier zu entscheidende Frage ausdrücklich offen gelassen, jedoch auch auf den Zusammenhang des betreffenden Wirtschaftsguts mit dem Betrieb des Steuerpflichtigen abgestellt (BFH, Urteil v. 24.2.2000, IV R 6/99 BFHE 191, 307, BStBl II 2000, 297). Das FG hat im vorliegenden Fall die von der Rechtsprechung des BFH geäußerten Bedenken aufgenommen und hält die Bildung von gewillkürtem BV auch bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn durch Einnahme-Überschuss-Rechnung ermitteln, für möglich. Entscheidend ist nach Auffassung des FG der vom BFH aufgestellte Grundsatz der Totalgewinngleichheit bei verschiedenen Gewinnermittlungsarten (Beschluss v. 4. Juli 1990 GrS 1/89, BStBl II 1990, 830). Diesem Grundsatz folgend muss eine grundsätzlich unterschiedliche Bildung von gewillkürtem BV ausgeschlossen sein; andernfalls wäre das Ziel der Totalgewinngleichheit nicht erreichbar. Danach zählt das Fahrzeug der Steuerpflichtigen zum (gewillkürten) BV ihrer freiberuflichen Zahnarztpraxis, da es grundsätzlich geeignet ist, dem Betrieb objektiv zu dienen. Der Wille der Steuerpflichtigen ein objektiv der Förderung des Betriebs geeignetes WG dem Betrieb zuzuordnen, wurde durch die Aufnahme des Fahrzeugs im Anlagenverzeichnis als Anhang zur Überschussermittlung offenkundig zum Ausdruck gebracht.
Hinweis
Die Revision gegen diese Entscheidung hat das FG zugelassen. Angesichts der vorstehend bereits angesprochenen Bedenken des BFH gegen die unterschiedliche Auslegung des Betriebsvermögensbegriffs stehen die Aussichten der Steuerpflichtigen nicht schlecht, dass der BFH die FG-Entscheidung bestätigt. In gleich gelagerten Fällen ist daher - unter Hinweis auf dieses Urteil - zu empfehlen, teilweise betrieblich genutzte PKW als gewillkürtes Betriebsvermögen zu behandeln und gegen ablehnende Entscheidungen des Finanzamts Einspruch einzulegen.
Link zur Entscheidung
FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18.12.2002, 2 K 194/01