Dipl.-Kfm. Michael Kappes, Sascha Brosig
Ca. 2015 startete die erste Welle an Digitalisierungsanstrengungen in der Planung – verbunden mit großen Erwartungen und Hoffnungen: eine Vollautomatisierung des Forecasts mit Hilfe von Predictive Analytics wurde angestrebt. Während einige IT-Dienstleister dies weiterhin uneingeschränkt versprechen, haben die zahlreichen Analytics-gestützten Automatisierungsanstrengungen bei objektiver Betrachtung inzwischen zu einem differenzierteren Bild geführt:
Am besten funktionieren in der Praxis hybride Modelle, also die Kombination aus systemseitig erstellten Vorschlagswerten mit Anpassungen und Ergänzungen durch Experten wo notwendig. Eine Vollautomatisierung ist unrealistisch – keine Analytics-Methodik kann bislang Einmaleffekte und strategische Veränderungsmaßnahmen (wie z. B. ein neues Werk) vorhersagen.
Komplexe Analytics-Modelle mit einer Vielzahl an Einflussfaktoren bis hin zu externen Daten können zwar für konkret abgegrenzte Aufgabenstellungen und kürzere Zeiträume bessere Ergebnisse liefern, erwiesen sich aber als anfällig für Veränderungen und damit als nicht ausreichend robust für einen dauerhaften Einsatz.
Einfache Modelle, die auf internen Daten und fortschrittlicheren Zeitreihenlogiken beruhen, sind demgegenüber deutlich robuster und konnten häufig ausreichend gute Ergebnisse liefern. Die inzwischen in fortschrittlicher Planungssoftware eingebauten Analytics-Module sind hier ein guter Startpunkt und können auch ohne Unterstützung von Data Scientists problemlos verwendet werden.
Erfolgskritisch für den Einsatz (halb-)automatisierter Forecast-Modelle ist eine ausreichende Transparenz über das Zustandekommen der Vorschlagswerte. Ein Negativ-Beispiel sind hier die teilweise angestrebten "EBIT-Modelle", mit deren Ergebnissen die Adressaten regelmäßig nichts anzufangen wussten.
In der Praxis zeigte sich auch, dass nicht zwingend alle Forecast-Positionen über Analytics-gestützte Verfahren generiert werden müssen, sondern dass eine Kombination aus zeitreihengestützter Erstellung einzelner Positionen und regelbasierter Ableitung anderer Positionen oft die bessere Wahl ist.
Kombinierter oder hybrider Forecast
Der Umsatz bzw. die Absatzmenge wird mittels Predictive Analytics ermittelt und die zugehörigen (variablen) Herstellkosten werden über einen (historischen) Prozentwert abgeleitet. Ein solches Vorgehen erscheint vielen als "zu einfach", funktioniert aber oft besser und ist transparenter als eine vollständig Analytics-getriebene Vorschlagswertgenerierung.
Abb. 4 zeigt die grundsätzliche Logik eines hybriden Modells. Wir empfehlen die systemseitige Separierung von
- maschinell erzeugten Vorschlagswerten,
- manuellen Anpassungen und Ergänzungen und
- der Wirkung bestimmter separat verfolgter Initiativen.
Abb. 4: Hybrides Forecast-Modell (schematische Vorstellung)
Der Übergang zu einem (halb-)automatisierten Forecast bringt klare Vorteile mit sich: An erster Stelle ist hier der Effizienzgewinn zu nennen. In einem Beispiel konnten bei einem Übergang von umfangreichen manuellen "Bottom-up" Quartals-Forecasts zu halbautomatisierten "Middle-up" Monats-Forecasts, 2/3 des Aufwands im Forecast-Prozess eingespart werden.
Ob auch die Prognosegüte durch die Umstellung verbessert wird, hängt stark von der Ausgangssituation ab. War der manuelle Forecast bisher politisch verfärbt, lassen sich durch die Umstellung deutliche Verbesserungen erzielten, andernfalls dürfte die Qualität eher unverändert bleiben. Die Fokussierung der manuellen Eingriffe auf Sondereffekte und Veränderungsmaßnahmen unterstützt wiederum die Business-Partner-Rolle des Controllings, welche die zentralen Entwicklungen im Unternehmen begleiten soll.