Dipl.-Finanzwirt Christian Ollick
Leitsatz
Das FG Münster entschied, dass für einen im Betriebsvermögen eines Gartenbaubetriebs gehaltenen Pkw der Marke Ford Ranger kein privater Nutzungsanteil nach der 1-%-Regelung versteuert werden muss, wenn der für eine Privatnutzung sprechende Anscheinsbeweis erschüttert werden kann.
Sachverhalt
Folgender Fall wurde verhandelt: Die klagenden Eheleute hatten 3 Kinder, von denen 2 in den Streitjahren 2015 und 2016 noch zuhause lebten. Der Ehemann führte auf dem Wohngrundstück im Nebenerwerb einen Gartenbaubetrieb mit 21 Arbeitnehmern; hauptberuflich war er in Vollzeit als Arbeitnehmer bei einem anderen Betrieb tätig, der nur 1,5 Kilometer vom Wohnhaus entfernt lag. Die Ehefrau arbeitete als Aushilfe im Gartenbaubetrieb mit.
Der Kläger bilanzierte im Betriebsvermögen einen Pkw der Marke BMW X3, für den er eine Privatnutzung nach der 1-%-Regelung versteuerte. Daneben befand sich im Betriebsvermögen ein Pkw Ford Ranger (Pick-up), der nach Aussage des Klägers als Zugmaschine und für Fahrten der Mitarbeiter genutzt wurde. Im Privatvermögen der Eheleute befanden sich ein VW Golf Cabrio und ein Kleinwagen (VW Polo bzw. anschließend Ford Fiesta).
Das Finanzamt gelangte im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung zu dem Ergebnis, dass der Beweis des ersten Anscheins für eine private Mitbenutzung des Pkw Ford Ranger spreche und für das Fahrzeug daher – mangels Fahrtenbuchs – ebenfalls eine Privatnutzungsversteuerung nach der 1-%-Regelung vorzunehmen sei. Entsprechend erhöhte das Amt den Gewinn aus Gewerbebetrieb für 2015 um 5.000 EUR und für 2016 um 6.000 EUR.
Entscheidung
Das FG urteilte, dass für den Ford Ranger keine Privatnutzungsversteuerung vorgenommen werden muss. Zwar spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass betriebliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt werden. Dieser Beweis kann nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung aber durch den sog. Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu muss ein Sachverhalt dargelegt werden, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ergibt. Ausgehend von diesen Grundsätzen konnte der für eine Privatnutzung sprechende Anscheinsbeweis im vorliegenden Fall durch glaubhafte Einlassungen der Kläger in der mündlichen Verhandlung erschüttert werden. Gegen die stattgefundene Privatnutzung des Ford Ranger sprach neben der Größe des Fahrzeugs auch die arbeitstägliche Verwendung als Zugmaschine und zur Mitarbeiterbeförderung. Die Privatnutzung durch den Kläger im Laufe seines Arbeitstags wäre zudem nur erheblich eingeschränkt möglich gewesen, da er in Vollzeit im Betrieb seines Arbeitgebers eingebunden war. Das FG ließ in seine Würdigung zudem einfließen, dass die Eheleute für ihre kurzen Wege zur Arbeit keinen Pkw benötigten. Weiterer Aspekt war, dass auf dem Ford Ranger eine Werbefolie angebracht war, die bei einer Privatnutzung nicht einfach hätte entfernt werden können.
Hinweis
Der für eine Privatnutzung des betrieblichen Pkw sprechende Anscheinsbeweis konnte im Urteilsfall also durch ein Zusammenspiel gleich mehrerer – teils besonderer – Einzelfallumstände entkräftet werden. Allein das Vorhandensein eines anderen betrieblichen Pkw (hier: BMW X3), der für eine Privatnutzung zur Verfügung gestanden hatte und der bereits mit der 1-%-Regelung erfasst worden war, hätte zur Entkräftung nicht ausgereicht.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil v. 16.08.2022, 6 K 2688/19 E