BMF, Schreiben v. 20.12.2010, IV C 6 - S 2244/10/10001, BStBl I 2011, 16
Bezug: Ergebnis der Erörterungen zu TOP 16 der ESt VI/10 vom 15. bis 17.12.2010
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 7.7.2010 (BStBl 2010 II S. xxx) entschieden, dass § 17 Abs. 1 Satz 4i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (StEntlG 1999/2000/2002) vom 24.3.1999 (BGBl 1999 I S. 402) gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes verstößt und nichtig ist, soweit in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerlich erfasst werden, die bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 am 31.3.1999 entstanden sind und die entweder – bei einer Veräußerung bis zu diesem Zeitpunkt – nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei realisiert worden sind oder – bei einer Veräußerung nach Verkündung des Gesetzes – sowohl zum Zeitpunkt der Verkündung als auch zum Zeitpunkt der Veräußerung nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei hätten realisiert werden können. Das BVerfG begründet seine Entscheidung damit, dass insoweit bereits eine konkrete Vermögensposition entstanden sei, die durch die rückwirkende Absenkung der Beteiligungsgrenze nachträglich entwertet werde. Das führe zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung im Vergleich zu Anteilseignern, die ihre Anteile noch bis Ende 1998 verkauft hatten, da diese den Gewinn noch steuerfrei vereinnahmen konnten. Dies sei unter dem Gesichtspunkt der Lastengleichheit nicht zulässig.
Soweit sich der steuerliche Zugriff auf die erst nach der Verkündung der Neuregelung eintretenden Wertsteigerungen beschränke, begegne dies unter Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes jedoch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, auch wenn sie bislang steuerfrei gewesen wären. Zwar könne der Erwerb einer Beteiligung in einer bestimmten Höhe maßgeblich von der Erwartung bestimmt sein, etwaige Wertsteigerungen steuerfrei realisieren zu können. Die bloße Möglichkeit, Gewinne später steuerfrei vereinnahmen zu können, begründe aber keine vertrauensrechtlich geschützte Position, weil damit im Zeitpunkt des Erwerbs nicht sicher gerechnet werden könne.
Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gelten für die Anwendung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 7.7.2010 (a.a.O.) die folgenden Grundsätze:
A. Beteiligung i.H.v. mehr als 25 %
War der Veräußerer in den letzten fünf Jahren vor der Veräußerung am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 25 % beteiligt, hat der o.g. BVerfG-Beschluss keine Auswirkungen auf die steuerrechtliche Beurteilung der Veräußerung, da die Veräußerungen nach altem wie nach neuem Recht steuerbar sind.
B. Beteiligung i.H.v. weniger als 10 % vor Geltung des Steuersenkungsgesetzes (StSenkG) vom 23.10.2000 (BStBl 2000 I S. 1433; BStBl 2000 I S. 1428)
Auf Veräußerungen vor Geltung des StSenkG hat der o.g. BVerfG-Beschluss keine Auswirkungen auf die steuerrechtliche Beurteilung der Veräußerung, wenn der Veräußerer in den letzten fünf Jahren vor der Veräußerung am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar durchgehend zu weniger als 10 % beteiligt war, da die Veräußerungen nach altem (mehr als 25 %) wie nach neuem (mindestens 10 %) Recht nicht steuerbar sind.
C. Beteiligung i.H.v. mind. 10 % aber höchstens 25%
War der Veräußerer in den letzten fünf Jahren vor der Veräußerung am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu höchstens 25 %, jedoch zu mind. 10 % beteiligt, gilt für die Besteuerung der Gewinne und Verluste aus der Veräußerung der Anteile Folgendes:
I. Veräußerung bis 31.3.1999
Der Gewinn aus der Veräußerung der Anteile ist nicht steuerbar.
II. Veräußerung ab dem 1.4.1999
1. Veräußerungsgewinne
Der Gewinn aus der Veräußerung der Anteile ist nur insoweit nicht steuerbar, als er auf den Wertzuwachs bis zum 31.3.1999 entfällt. Zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns tritt abweichend von § 17 Abs. 2 EStG der gemeine Wert der veräußerten Anteile zum 31.3.1999 an die Stelle der ursprünglichen Anschaffungskosten. Soweit es sich um börsennotierte Anteile an Kapitalgesellschaften handelt, ist dies der Börsenkurs vom 31.3.1999. Liegt für den 31.3.1999 keine Notierung vor, ist der letzte innerhalb von 30 Tagen im regulierten Markt notierte Kurs anzusetzen. Soweit es sich nicht um börsennotierte Anteile handelt, vgl. Aussagen unter a) – c).
Beispiel:
A ist seit 1990 zu 10 % an der A-GmbH (AK umgerechnet 100.000 EUR) beteiligt. Er veräußert die Beteiligung am 2.8.2010 für 1.000.000 EUR. Der Wert der Beteiligung belief sich am 31.3.1999 auf umgerechnet 500.000 EUR.
Die beim Verkauf realisierten stillen Reserven (900.000 EUR) dürfen nur besteuert werden, soweit sie nach dem 31.3.1999 entstanden sind. Es dürfen im VZ 2010 daher nur 500.000 EUR (1.000.000 EUR (Veräußerungspreis) abzüglich 500.000 EUR (Wert der Beteiligung zum 31.3.1999)) im Teileinkünfteverfahren besteuert werden. Der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn im Jahr 2010 beträgt demnach (500.000 EUR × 60 ...