Leitsatz
Die auf fünf Jahre befristete Übergangsregelung zur Verrechnung von sog. Altverlusten mit Aktiengewinnen, die der Abgeltungsteuer unterliegen, ist verfassungsgemäß.
Normenkette
§ 52a Abs. 11 Satz 11, § 23 Abs. 3 Sätze 9 und 10 EStG jeweils i.d.F. des UntStRefG 2008
Sachverhalt
Die Kläger hatten vor 1999 Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Aktien erzielt, die gesondert festgestellt wurden. Die Übergangsfrist verstrich ungenutzt. Die Kläger wehrten sich gegen die dadurch eingetretene Entwertung ihrer Verluste.
Entscheidung
Das FG hat die Klage abgewiesen (Sächsisches FG, Urteil vom 10.11.2015, 2 K 741/15, Haufe-Index 8792056, EFG 2016, 196).
Die Revision der Kläger hatte keinen Erfolg.
Hinweis
Seit Einführung der Abgeltungsteuer unterliegen Veräußerungsgewinne aus Aktien der Besteuerung als Kapitaleinkünfte. Davor (bis Veranlagungszeitraum 2008) handelte es sich um private Veräußerungsgeschäfte, die dem Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren unterfielen. Stichtag für den Systemwechsel war der 1.1.2009. Der Besprechungsfall betrifft die Übergangsregelung zur Verrechnung von Altverlusten mit Neugewinnen.
1. Rechtslage bis 2009: Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften konnten nur mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften ausgeglichen und nur mit zukünftigen Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften verrechnet werden. Der stichtagsbezogene Systemwechsel beseitigte im Grundsatz für Altverluste aus Aktienverkäufen die Verrechenbarkeit mit zukünftigen Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien.
2. Rechtslage seit 2009: Verluste aus der Veräußerung von Aktien dürfen seit 2009 nur noch mit zukünftigen Gewinnen, die aus der Veräußerung von Aktien entstehen, ausgeglichen werden. Eine Verrechnung mit anderen Kapitaleinkünften oder mit privaten Veräußerungsgewinnen ist ausgeschlossen.
3. Übergangsregelung: Für eine Übergangszeit von fünf Jahren hat der Gesetzgeber die Verrechnung von Altverlusten mit Neugewinnen aus der Veräußerung von Aktien erlaubt. Diese Frist ist am 31.12.2013 abgelaufen. Bis dahin nicht ausgeglichene Altverluste aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Aktien können zukünftig nur noch – wie schon bisher – mit neuen Gewinnen aus anderen privaten Veräußerungsgeschäften verrechnet werden und werden dadurch zumindest partiell wirtschaftlich entwertet.
4. Diese Regelung ist verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber hat den Systemwechsel zur Abgeltungsteuer konsequent stichtagsbezogen ausgeführt und zur Abmilderung der Konsequenzen eine Übergangsregelung eingeführt, um Altverluste aus Aktienveräußerungen (insbesondere im Zusammenhang mit dem Absturz der Telekom-Aktie Ende der 1990er-Jahre) noch für eine Übergangsfrist von fünf Jahren nutzen zu können.
a) Darin liegt kein vollständiger Ausschluss der Verlustverrechnung. Es verbleibt eine nicht nur theoretische Möglichkeit der Verrechnung mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Grundstücken und anderen Wirtschaftsgütern. Bei § 23 hat es der Steuerpflichtige durch die Wahl des Veräußerungszeitpunkts weitgehend in der Hand, ob steuerbare oder nicht steuerbare Gewinne entstehen.
b) Wenn überhaupt eine Übergangsregelung erforderlich war, besteht verfassungsrechtlich kein Anspruch auf eine Verlängerung über fünf Jahre hinaus. Das BVerfG hat sogar eine generelle zeitliche Beschränkung des Verlustvortrags auf nur fünf Jahre gebilligt.
c) Die darin liegende partielle Entwertung der Altverluste verletzt auch nicht geschütztes Vertrauen. Die bloße Möglichkeit, Gewinne aufgrund einer Verlustverrechnung später steuerfrei vereinnahmen zu können, begründet noch kein geschütztes Vertrauen. Das gilt umgekehrt für Verluste ebenso. In der Gesamtabwägung überwiegt außerdem das Interesse des Gesetzgebers an der Herbeiführung des Systemwechsels.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 6.12.2016 – IX R 48/15