Dipl.-Kfm. Markus Brenner, Benjamin Lesch
4.1 Ausgangssituation und Fokussierung auf Process Mining
Das Controlling eines großen regionalen Energieversorgers hatte in der Vergangenheit bereits prozessorientierte Instrumente in der Unternehmenssteuerung eingesetzt. Neben der Balanced Scorecard wurden insbesondere durch die Anwendung der Prozesskostenrechnung Erfahrungen mit Prozessen gesammelt. Bedingt durch die neue Unternehmensstrategie, die eine weitgehende Prozessorientierung im Unternehmen etablieren soll, ergaben sich auch für das Controlling neue Anforderungen. Vor allem die Bereitstellung prozessorientierter Steuerungsinformationen zur Unterstützung der Prozessverantwortlichen war dabei ein wesentliches Thema. Im Controlling wurde schnell festgestellt, dass mit den bestehenden Instrumenten diese Aufgabe nicht zu leisten war. Stattdessen wurde die zum damaligen Zeitpunkt neue Technologie Process Mining als eine Möglichkeit identifiziert, die gestellten Anforderungen zu erfüllen. Nach einer durchgeführten umfassenden Bewertung der grundsätzlichen Eignung wurde der Beschluss gefasst, Process Mining in die Unternehmenssteuerung zu integrieren.
4.2 Vorgehensmodell zur Integration von Process Mining in das Controlling
Unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Anwendungsszenarien und technischen Möglichkeiten wurde ein vierstufiges Vorgehensmodell entwickelt (s. Abb. 1).
Abb. 1: Vorgehensmodell zur Integration von Process Mining in das Controlling
In der ersten Phase sollte zunächst ein Zielbild für die Process-Mining-Anwendungen erstellt und konkrete Einsatzfelder im Rahmen des Controllings identifiziert werden. In der zweiten Projektphase erfolgte die detaillierte Ausgestaltung der ausgewählten Einsatzfelder, in dem entsprechende Detailkonzepte ausgearbeitet wurden. Im Anschluss erfolgte in Phase 3 die Verprobung im Rahmen eines Proof-of-Concepts (PoC). Hierzu sollte am Beispiel des Beschaffungsprozesses die Process-Mining-Lösung eingeführt, die spezifizierten Einsatzfelder ausgestaltet und die Erfüllung der gestellten Ziele getestet werden. Abschließend wurde im Rahmen einer vierten Phase der Rollout der Anwendungen auf weitere Prozesse geplant.
4.3 Phase 1: Zielbild definieren – Identifikation von Einsatzfeldern von Process Mining
Entsprechend dem Projektvorgehen erfolgte in der ersten Phase die Entwicklung des Zielbildes bzgl. der Anwendung von Process Mining im Controlling. Ausgangspunkt hierzu war eine erste Festlegung auf die 3 Controllingaufgaben
- Monitoring & Reporting,
- Begleitung von Optimierungsinitiativen und
- die Unterstützung von Kostenrechnung und Planung, welche im Kontext der zukünftigen Prozessorientierung des Unternehmens als besonders relevant eingeschätzt wurden.
In mehreren Workshops wurden dann im Rahmen der Zielbilddefinition vier konkrete Einsatzfelder ausgewählt (s. Abb. 2).
Abb. 2: Ausgewählte Einsatzfelder von Process Mining für das Controlling
Zunächst wurden mögliche Einsatzfelder im Rahmen der Controllingaufgabe Monitoring & Reporting analysiert. Als ein erstes potenzielles Einsatzfeld wurde dabei die Nutzung zum Controlling von strategischen Prozesskennzahlen identifiziert. Instrumente wie z. B. die Balanced Scorecard haben eine Prozessperspektive und erfordern bei einer umfassenden Anwendung auch die Definition und Messung prozessspezifischer Kennzahlen. Ein weiteres potenzielles Einsatzfeld von Process Mining wurde im Monitoring der operativen Prozessperformance erkannt. Die laufende Transparenz über die Prozessperformance ist insbesondere in "Operations-Einheiten", in denen es um die Auftragsabwicklung geht, von erfolgskritischer Bedeutung. In Leitständen erfolgt hier das Monitoring der operativen Prozessleistung – immer häufiger auch in Echtzeit. Schließlich kann Process Mining auch für das Reporting der operativen Prozessperformance eingesetzt werden. Im Rahmen der Zielbilddefinition des Energieversorgers wurden grundsätzlich alle 3 möglichen Einsatzfelder als relevant angesehen. Als Einstieg in die Process-Mining-Anwendung wurde letztendlich das Reporting der Prozessperformance als eines der Einsatzfelder ausgewählt, mit denen zuerst das neue Instrumentarium im Rahmen des Proof-of-Concept zu testen war. Hiervon wurde der größte Nutzen erwartet, da mit dieser Anwendung für die Prozessverantwortlichen ein großer Mehrwert bereitgestellt werden konnte.
Ein weiteres großes Einsatzfeld von Process Mining liegt in der Anwendung für Optimierungen, für die verschiedene Anwendungsfelder denkbar sind. Bereits die "Standardanalysen" des Process Mining liefern vielfältige Informationen zur Identifikation von Optimierungspotenzialen, in dem systemisch ausgewertete Prozesse (Ist-Prozesse) definierten Prozessstandards (Soll-Prozesse) gegenübergestellt werden. Dadurch kann analysiert werden, ob der definierte, modellierte Prozess tatsächlich in dieser Form auch "gelebt" wird. Zudem kann, unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben, evaluiert werden, ob ggf. unterschiedliche Arbeitsweisen vorhanden sind und mittels Durchführung von Trainings hier ein einheitlicher optimaler Standard erreicht werden kann. Zum anderen können die Prozesse bzgl. diverser Optimierungsmöglichkeiten analysiert werden. Dies können Unterbrechungen in der Bearbeitung sein, die z. B...