Leitsatz
Der EuGH hatte über insgesamt vier Vorlagefragen zu entscheiden.
Sachverhalt
Christoph-Dornier-Stiftung für Klinische Psychologie
Die erste Frage war, ob psychotherapeutische Behandlungen in einer Ambulanz, die eine gemeinnützige Stiftung mit angestellten Diplom-Psychologen ausführt, die nicht als Ärzte zugelassen sind, unter den Begriff der mit der Krankenhausbehandlung und ärztlicher Heilbehandlung eng verbundenen Umsätze i.S.v. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie fallen.
Die zweite Frage des BFH richtete sich darauf, ob eine andere ordnungsgemäß anerkannte Einrichtung gleicher Art i.S.v. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie ein förmliches Anerkennungsverfahren voraussetzt oder ob die Anerkennung auch in anderen Regelungen (z.B. in Regelungen über eine Kostenübernahme durch Sozialversicherungsträger) bestehen kann.
Die dritte Frage des BFH richtete sich darauf, ob die psychotherapeutischen Leistungen auch nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c steuerfrei sein können.
Die vierte Frage des BFH richtete sich darauf, ob die Klägerin sich unmittelbar auf die Steuerbefreiungsregelung in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie berufen kann.
Entscheidung
Diese Frage hat der EuGH verneint. Als solche eng verbundenen Umsätze sind nach dem Urteil nur Leistungen anzunehmen, die ihren Zweck nicht in sich tragen, sondern als Mittel dienen, eine Krankenhausbehandlung oder ärztliche Heilbehandlung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Da die psychotherapeutischen Behandlungen im Streitfall keine Nebenleistungen zu einer Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung darstellten, erfüllen sie nicht den Begriff der eng verbundenen Umsätze.
Der EuGH hat jedoch - ohne vom BFH dazu befragt worden zu sein - weiter entschieden, dass die psychotherapeutischen Leistungen eine ärztliche Heilbehandlung i.S.v. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie darstellen. Dieser Begriff umfasst sämtliche Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin i.S.v. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c und demzufolge auch Leistungen von Personen, die keine Ärzte sind, aber arztähnliche Leistungen erbringen. Bei psychotherapeutischen Behandlungen durch Diplom-Psychologen ist dies der Fall. Entgegen seiner ständigen Rechtsprechung, dass Steuerbefreiungsvorschriften eng auszulegen sind, meint der EuGH im vorliegenden Fall, dass der Begriff der ärztlichen Heilbehandlung i.S.v. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie"nicht besonders eng auszulegen" sein soll. Der EuGH folgt hier seinem Urteil v. 11.1.2001, C-76/99 (Kommission/Frankreich). Ziel der Steuerbefreiung sei es, die Kosten der Heilbehandlungen zu senken und diese Behandlungen dem Einzelnen zugänglicher zu machen.
Nach dem Urteil bedarf es für die Anerkennung nicht eines förmlichen Verfahren und sie muss auch in der jeweiligen Steuervorschrift nicht ausdrücklich vorgesehen sein. Bei der Anerkennung einer Einrichtung müssen das Gemeinschaftsrecht und unter der Kontrolle der nationalen Gerichte verschiedene Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Dazu gehören das mit der Umsatztätigkeit verbundene Gemeinwohlinteresse, die Tatsache, dass andere Unternehmer mit gleichen Tätigkeiten bereits anerkannt sind sowie die Tatsache, dass die Kosten der Leistungen unter Umständen zum großen Teil von Sozialversicherungsträgern übernommen werden. Ohne dass er Deutschland einen Richtlinienverstoß vorwerfen konnte, geht der EuGH i.d.Z. davon aus, dass die Bedingungen in § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG, dass die Leistungen unter ärztlicher Aufsicht erbracht werden müssen, eine Überschreitung des Ermessens bei der Anerkennung als begünstigte Einrichtung darstellt. Dieser Verstoß scheint allerdings keine Auswirkung zu haben, weil der EuGH es dem nationalen Gericht überlässt, anhand aller relevanten Gesichtspunkte zu prüfen, ob der Betroffene gleichwohl als ordnungsgemäß anerkannte Einrichtung anzusehen ist. Der Vorwurf, Deutschland habe seinen Ermessensspielraum überschritten, ist nicht nachvollziehbar, weil der EuGH sein Ergebnis daraus herleitet, dass er zur Frage 1 bereits entschieden habe, dass die psychotherapeutischen Leistungen eine ärztliche Heilbehandlung darstellen.
Dies bejaht der EuGH mit unter Bezugnahme auf sein Urteil v. 10.9.2002, C-141/00 (Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH). Die Steuerbefreiung nach dieser Vorschrift ist von der Rechtsform des Unternehmers unabhängig. Allerdings stellt sich jetzt die Frage, nach welcher Vorschrift die psychotherapeutischen Leistungen denn eigentlich steuerbefreit sollen. Hierauf ist der EuGH nicht eingegangen, obwohl er in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt Urteil v. 20.6.2002, C-287/00 (Kommission/Deutschland) entschieden hat, dass durch Art. 13 Teil A nicht alle dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten befreit sind, sondern nur diejenigen, die in der Vorschrift einzeln aufgeführt und sehr genau beschrieben sind. Diese genaue Beschreibung kann wohl nicht zutreffend sein, wenn die hier in Rede ste...