Prof. Dr. Markus Grottke, Prof. Dr. Robert Obermaier
Häufig werden in einem Betrieb Probleme erst zu einem späten Zeitpunkt als solche identifiziert. Dies lässt sich an dem eingangs gewählten Beispiel eines Automobilzulieferers gut illustrieren:
Qualitätskontrolle bei Autoreifen
Ist bspw. ein Autoreifen von mangelhafter Qualität und wird dies erst erkannt, wenn das Auto bereits vollständig zusammengebaut oder gar bereits ausgeliefert ist, so können hohe Kosten für ein Reifenwechsel entstehen. Dies gilt nicht nur, weil ein neuer Reifen ggf. erst angeliefert werden muss, sondern auch, weil zunächst vielleicht gar nicht klar ist, dass der Reifen selbst und nicht etwa die Elektronik, welche z. B. den Reifendruck misst, das Problem verursacht. Gleichzeitig wäre es bislang zu kostenträchtig gewesen, bei Lieferung die Qualität jedes einzelnen Reifens im Detail zu überprüfen.
Nun wird man in jedem solchen Fall anhand von Erfahrungen der Vergangenheit zumindest im Ansatz schätzen können, in wie viel Prozent der Fälle ein solches Problem auftritt. Eine typische Kennzahl wäre hier der Anteil der Auslieferungen, in denen Reklamationen von Kundenseite auftreten. Wird nun entsprechende Sensorik eingesetzt um die Reifen der Reifenlieferanten bereits bei Anlieferung zu überprüfen, wird zumindest ein Teil dieser Reklamationen verhindert.
Kostenvergleich
Bspw. könnte es sich nach internen Schätzungen in ca. 0,1 % der Fälle um Reifenprobleme handeln. Wird das Problem gleich zu Beginn bereinigt, werden nur geringe Kosten entstehen, da die fehlerhaften Reifen mit der nächsten Lieferung ausgetauscht oder nachgeliefert werden können.
Kosten und Ausgaben:
- Pro Auswechslung eines fehlerhaften Reifens noch im Werk selbst entstehen von Kosten von 30 EUR.
- Ein Reifenwechsel bei Reklamation kostet zusammengenommen ca. 700 EUR.
- Die IoT-Technologie verursacht die einmalige Investition von 600.000 EUR.
- Die jährlichen Betriebskosten, z. B. für die Hardware-Wartung, betragen 24.000 EUR.
Mengen:
- Pro Jahr werden ca. 1 Mio. Autos produziert.
- Bei einer Fehlerquote von 0,1 % ist mit 1.000 Reklamationen zu rechnen.
Kostenfaktor |
Im Werk |
Nach Reklamation |
Differenz |
Auswechslung eines fehlerhaften Reifens |
30 EUR |
700 EUR |
|
Anzahl Fälle |
1.000 |
1.000 |
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Summe Kosten |
30.000 EUR |
700.000 EUR |
670.000 EUR |
IoT-Investition |
|
|
600.000 EUR |
IoT-Betriebskosten/Jahr |
|
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24.000 EUR |
Einsparung bereits im ersten Jahr |
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46.000 EUR |
Bei dieser Konstellation rechnet sich die Investition unmittelbar: Nunmehr fallen nicht mehr Kosten von jährlich 700.000 EUR, sondern nur noch von 54.000 EUR an.
Mit der Einsparung von 646.000 EUR im ersten Jahr sind sogar die einmaligen Ausgaben von 600.000 EUR wieder refinanziert.
Voraussetzung ist freilich, dass die Schätzungen korrekt waren. So gilt, dass man zumindest im Groben folgende Faktoren korrekt einschätzen muss:
- Wahrscheinlichkeit einer Mangelidentifikation dort, wo die Kamera eingesetzt wird.
- Konkrete Ausprägung der Kosten für den Mangel an dem Punkt, an dem bisher das durch Mängel ausgelöste Problem auftrat (z. B. Kosten von Reklamationen).
- Konkrete Ausprägung der Kosten an dem Punkt, an dem in Zukunft der Fehler identifiziert werden kann (Kosten der Beseitigung z. B. bei Wareneingang).
- Einmaliger Investitionsbetrag und laufende Betriebskosten.
Geprüft werden sollte auch, ob nicht nur ein Material (hier: Reifen), sondern auch andere (z. B. Getriebe, Sitzbezüge) bei Liefereingang überprüft werden können. So können nicht nur durch Reifen verursachte Probleme, sondern alle durch wesentliche Fehler verursachten Probleme bei Reklamationen bewertet werden. Auch können zu späten, kostenträchtigen Zeitpunkten auftretende Korrekturen und nicht nur Reklamationen in die Bewertung einbezogen werden.