Leitsatz
1. Die entgeltliche Einräumung des Rechts zum betragsmäßig nicht begrenzten verbilligten Warenbezug in Form einer "Mitgliedschaft" stellt eine selbständige steuerbare Leistung und nicht eine Nebenleistung oder einen Zwischenschritt zum Warenkauf dar.
2. Die Einräumung dieser Rabattberechtigung unterliegt vollumfänglich dem Regelsteuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG, wenn die Waren des Warensortiments sowohl dem Regelsteuersatz als auch dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 12 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin der K-GmbH und ihrer Schwestergesellschaften, die Bio-Supermärkte an verschiedenen Standorten in einer Stadt betrieben.
Kunden konnten in diesen Märkten entweder zum Normalpreis einkaufen; möglich war aber auch ein verbilligter Einkauf als "Mitglied" in allen Märkten. Für die "Mitgliedschaft" zahlten die Kunden eine einmalige Kaution (51,13 EUR), die sie bei Beendigung der "Mitgliedschaft" zurückerhalten sollten, sowie einen monatlichen festen Mitgliedsbeitrag (je nach Einkommen und Familienstand zwischen 10,20 EUR und 20,40 EUR).
Die K-GmbH sah die von ihr vereinnahmten Mitgliedsbeiträge (brutto 477.035,69 EUR) als Entgelt für eine steuerbare Nebenleistung zu den späteren Warenverkäufen an. Da ihre Lieferungen zu über 80 % dem ermäßigten Steuersatz unterlagen, ging sie davon aus, dass die Nebenleistung "Rabattgewährung" auch mit diesem Prozentsatz dem ermäßigten Steuersatz unterliege.
Nach einer Außenprüfung wendete die Finanzverwaltung auf die Einräumung der Möglichkeit zum verbilligten Einkauf als Dienstleistung den Regelsteuersatz an (Bescheid vom 4.7.2013). Der Einspruch blieb erfolglos. Im Laufe des Klageverfahrens setzte das FA die Umsatzsteuer wegen eines Berechnungsfehlers herab.
Die Klage hatte ebenfalls keinen Erfolg (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.6.2018, 7 K 7226/15, Haufe-Index 11935983, EFG 2018, 1490). Das FG nahm an, dass die Einräumung der Rabattberechtigung als selbstständige Leistung dem Regelsteuersatz unterliege.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Er wies ergänzend darauf hin, dass eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nicht Verfahrensgegenstand gewesen sei.
Dabei ließ der BFH offen, wie zu entscheiden gewesen wäre, wenn sich das Recht zum verbilligten Einkauf nur auf ein Sortiment von Waren bezogen hätte, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.
Hinweis
1. Mit Rabatt verkaufte Gutscheine oder entgeltlich gewährte Rabattberechtigungen sind nicht nur eine Maßnahme der Kundenbindung, sondern verschaffen den ausgebenden Unternehmern auch Liquidität, ohne die Leistung schon tatsächlich ausgeführt zu haben. Je nach Ausgestaltung unterscheiden sich jedoch die umsatzsteuerrechtlichen Folgen dramatisch, wie gegenwärtig ein Blick in § 3 Abs. 13 ff. UStG eindrucksvoll zeigt.
2. Der EuGH (EuGH, Urteil vom 5.7.2018, C‐544/16, Marcandi, Haufe-Index 11819768) hat dazu entschieden, dass die entgeltliche Ausgabe von "Guthabenpunkten", die es Kunden ermöglichen, in Online-Auktionen des ausgebenden Unternehmers Gebote zum verbilligten Erwerb von Waren abzugeben, eine steuerbare Dienstleistung gegen Entgelt ist; Gegenleistung ist der für die "Guthabenpunkte" gezahlte Betrag, der nicht zur Gegenleistung der später gekauften Waren gehört.
3. Dies gilt nach Auffassung des BFH in gleicher Weise für eine "Mitgliedschaft", bei der der Kunde gegen Zahlung eines monatlichen Pauschalbeitrags das Recht zum unbegrenzten Einkauf von nicht näher bezeichneten Waren mit Rabatt erhält. Ist nicht sicher, dass überhaupt Waren gekauft werden (und wenn ja welche), liegt keine Anzahlung vor. Ebenso wenig handelt es sich um eine Nebenleistung oder um einen notwendigen Zwischenschritt zum Verkauf der Waren.
4. Noch nicht beantwortet ist damit zwar die Frage, welcher Steuersatz für diese Dienstleistung gilt. Ist die Berechtigung zum verbilligten Erwerb auf ermäßigt zu besteuernde Leistungen gerichtet, gilt die Steuerermäßigung i.d.R. auch hierfür. Aber wenn der Kunde verbilligt Produkte aus einem Sortiment kaufen kann, das dem ermäßigten Steuersatz und dem Regelsteuersatz unterliegende Waren enthält, scheidet nach Auffassung des BFH der ermäßigte Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Anlage 2 zum UStG aus; es gilt für die gesamte Leistung der Regelsteuersatz.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.12.2019 – XI R 21/18