Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Werden Rabatte beim Abschluss von Versicherungsverträgen sowohl Arbeitnehmern von Geschäftspartnern als auch einem weiteren Personenkreis (Angehörige der gesamten Versicherungsbranche, Arbeitnehmer weiterer Unternehmen) eingeräumt, so liegt hierin kein Arbeitslohn.
Normenkette
§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Die in der Versicherungsbranche tätige AG war zu 9 % am Versicherer X-AG und zu über 90 % am Versicherer Y-AG beteiligt. Die Y-AG war zu über 25 % am Versicherer Z-AG beteiligt. Die Arbeitnehmer der AG erhielten Versicherungen der X-AG sowie der Z-AG zu verbilligten Tarifen. Das Personalhandbuch der AG wies darauf unter "Betriebliche Zusatzleistungen" hin. Zu diesen Rabatten war zwischen der AG und den anderen Versicherern nichts vereinbart. Die von der Z-AG gewährten Rabatte standen allen Arbeitnehmern aller deutschen Versicherer offen. Die von der X-AG gewährten Rabatte wurden auch Beschäftigten anderer Unternehmen gewährt. Die AG stellte zwecks Absatzförderung der Produkte eigene Räumlichkeiten zur Verfügung, in denen entsprechende Verträge abgeschlossen werden konnten. Die bei der AG durchgeführte Lohnsteueraußenprüfung erfasste die von den anderen Versicherern gewährten Rabatte als Lohnzahlungen Dritter und schätzte die Lohnsteuer (rd. 175.000 EUR), da die konkreten Beträge nicht mehr zu ermitteln waren. Die Klage blieb erfolglos (FG München, Urteil vom 28.10.2011, 8 K 3176/08, Haufe-Index 2879404, EFG 2012, 456).
Entscheidung
Der BFH hob – wie unter den Praxis-Hinweisen erläutert – die Vorentscheidung auf und gab der Klage statt.
Hinweis
Der Besprechungsfall befasst sich erneut (vgl. BFH, Urteil vom 7.5.2014, VI R 73/12, BFH/NV 2014, 1291, BFH/PR 2014, 299) mit dem Ansatz einkommensteuerbarer Lohnvorteile, wenn Arbeitnehmer im weitesten Sinne "Vorteile" aus dem Arbeitsverhältnis ziehen, hier in Form von Rabatten Dritter. Grundfrage ist stets, ob die Vorteile "für" eine Beschäftigung gewährt werden. Dies kann zwar grundsätzlich auch bei einer Zuwendung eines Dritten der Fall sein ("Drittlohn") und ist auch nicht ausgeschlossen, wenn der Dritte Vorteile in Form von Rabatten einräumt. Allerdings liegen bei diesen Konstellationen naturgemäß stets auch eigenständige Rechtsbeziehungen zum Dritten vor, etwa in Form von Kaufverträgen oder – wie hier – Versicherungen. Da ist es nicht fernliegend, dass Rabatte aus eigenwirtschaftlichen (Vertriebs-)Interessen der Dritten gewährt werden. Deshalb ist da besonders zu prüfen, ob der Dritte auf die von ihm erbrachten Leistungen Rabatte tatsächlich deshalb einräumt, um dem Arbeitnehmer "für" dessen Arbeitsleistung etwas zuzuwenden. Allein ein Kausalzusammenhang etwa in dem Sinne, dass der Arbeitnehmer den Vorteil erlangt hat, weil er bei einem bestimmten Arbeitgeber tätig ist, genügt noch nicht. Das dürfte der BFH bei nächster Gelegenheit nochmals klarstellen.
1. Im Fall hier kam schon deshalb kein Arbeitslohn in Betracht, weil solche Rabatte vielen Arbeitnehmern der Versicherungsbranche angeboten worden waren. Wenn aber Rabatte, die der Arbeitgeber nicht nur seinen Arbeitnehmern, sondern auch Nichtarbeitnehmern üblicherweise einräumt, keinen Arbeitslohn begründen (z.B. die Rabatte in der Automobilindustrie, BFH, Urteil vom 26.7.2012, VI R 27/11, BFH/NV 2012, 2050, BFH/PR 2013, 7), gilt dies erst recht bei von Dritten gewährten Preisvorteilen. Da kam es nicht mehr darauf an, dass die Beurteilung, ob die Zuwendung durch das Dienstverhältnis oder durch anderweitige Rechtsbeziehungen veranlasst ist, grundsätzlich der tatrichterlichen Würdigung durch das FG obliegt.
2. Der Entlohnungscharakter der Rabatte war auch nicht damit zu begründen, dass das Personalhandbuch auf die Möglichkeit der Rabatte verwiesen hatte. Denn allein der (wohl gemeinte) Arbeitgeber-Hinweis, dass Dritte möglicherweise auf ihre Leistungen Rabatte einräumen, macht die Rabatte noch nicht zur Gegenleistung für die individuelle Arbeitskraft, zumal auf die Rabatte nicht einmal ein Anspruch bestand. Der Hinweis und auch das Zurverfügungstellen von Räumen für den Abschluss der Versicherungen begründen auch keine Mitwirkung des Arbeitgebers, welche die Drittzuwendung zu Arbeitslohn machte. Eine solche Drittzuwendung könnte dagegen vorliegen, wenn der Arbeitgeber einen ihm zustehenden Vorteil – etwa im abgekürzten Zahlungsweg – als Arbeitsentgelt an seine Mitarbeiter weitergibt (Beispiel im Fall der Krankenhausapotheke, vgl. BFH, Urteil vom 18.10.2012, VI R 64/11, BFH/NV 2013, 131, BFH/PR 2013, 48). Entscheidend ist insbesondere, ob der Dritte den Vorteil aus eigenwirtschaftlichem Interesse oder im Interesse des Arbeitgebers gewährt. Hier lagen offenkundig eigenwirtschaftliche Interessen des Dritten vor. Arbeitnehmer der Versicherungsbranche sind für andere Versicherer ein interessanter Kundenkreis, die Marketing- und Vertriebskosten sind ebenso gering wie der Betreuungsbedarf.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 10.4.2014 – VI R 62/11