1.1 Erlösschmälerungen
Der Verkauf der Ware wird zunächst mit dem vollen (vereinnahmten) Bruttopreis in der Tageskasse, auf dem Bankkonto oder in den Forderungen erfasst und gebucht. Die Barzahlungsrabatte im Einzelhandel sind, wenn die Auszahlungen bzw. Gutschriften an die Kunden erfolgen, Erlösschmälerungen.
Für Kapitalgesellschaften ist der Abzug von Erlösschmälerungen in § 277 Abs. 1 HGB vorgeschrieben und betrifft Barzahlungsnachlässe, Umsatzvergütungen, Mengenrabatte, Sondernachlässe, Kundenskonti, Treuerabatte etc. als Preisnachlässe.
1.2 Auswirkungen der Erlösschmälerungen auf die Umsatzsteuer
1.2.1 Umsatzsteuerbarkeit der Lieferungen und sonstigen Leistungen
Der Umsatzsteuer unterliegen Lieferungen, sonstige Leistungen und innergemeinschaftliche Erwerbe eines Unternehmers im Inland gegen Entgelt. Die Umsatzsteuer beträgt regelmäßig 19 % des Entgelts.
Umsatzsteuer auf eine Lieferung
Unternehmer A liefert im Februar 01 an den Unternehmer B einen Warenposten zum Preis von 6.000 EUR. Die Umsatzsteuer beträgt 6.000 EUR × 19 % = 1.140 EUR. Für A und B liegen die Voraussetzungen von § 18 Abs. 2 Satz 2 UStG vor. Voranmeldungszeitraum für A und B ist daher der Kalendermonat. B überweist auf das Bankkonto des A am 20.3.01 den geschuldeten Kaufpreis lt. Rechnung v. Februar 01, also 7.140 EUR.
1.2.2 Entstehung der Umsatzsteuer
Im Regelfall wird die Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten berechnet. In diesem Fall entsteht die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Für das Entstehen der Steuer kommt es also nicht darauf an, ob das Entgelt bereits eingegangen ist. Da A (obiges Beispiel unter Tz. 1.2.1.) im Februar 01 geliefert hat, entstand die Umsatzsteuer hierfür mit Ablauf des Februars 01 (Soll-Besteuerung).
Gem. § 20 UStG ist für die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten anstelle der Regelbesteuerung ein Antrag notwendig, aufgrund dessen das Finanzamt die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten durch formlosen Verwaltungsakt gestattet haben muss. Dieser Antrag kann nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch durch Abgabe einer Umsatzsteuererklärung konkludent gestellt werden. Dabei muss für das Finanzamt deutlich erkennbar sein, dass die Umsätze auf Grundlage der tatsächlichen Einnahmen erklärt worden sind. Hat der Steuerpflichtige einen konkludenten Antrag auf Genehmigung der Ist-Besteuerung beim Finanzamt gestellt, dann hat die antragsgemäße Festsetzung der Umsatzsteuer den Erklärungsinhalt, dass der Antrag genehmigt worden ist.
Konkludenter Verwaltungsakt
Bei einem konkludent ergangenen Verwaltungsakt kommt die weitergehende Annahme eines über den jeweiligen Besteuerungszeitraum hinausgehenden Dauerverwaltungsakts nur in Betracht, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich das Finanzamt konkludent auch für nachfolgende Besteuerungszeiträume binden wollte. Hieran fehlt es, wenn bei einem konkludent gestellten Antrag auf Ist-Besteuerung von einer Gestattung nur für das jeweilige Jahr auszugehen ist. Will das Finanzamt von seiner bisherigen Gestattungspraxis abweichen, muss es den Steuerpflichtigen vor dem Beginn des für die Steuerentstehung maßgeblichen ersten Voranmeldungszeitraums des jeweiligen Besteuerungszeitraums darüber unterrichten, dass es beabsichtigt, für den neuen Besteuerungszeitraum keine Gestattung mehr zu erteilen.
Der für die Gestattung der sog. Ist-Besteuerung maßgebende Gesamtumsatz ist nach den voraussichtlichen Verhältnissen des Gründungsjahres zu bestimmen, wenn der Unternehmer seine unternehmerische Tätigkeit erst im laufenden Jahr begonnen hat. Für diese Prognose ist ein Gesamtumsatz nach den Grundsätzen der sog. Soll-Besteuerung zu schätzen. Falls ein Leistungsempfänger bereits zur Vornahme des Vorsteuerabzugs berechtigt ist, obwohl beim leistenden Unternehmer aufgrund der Gestattung der Ist-Besteuerung noch keine Umsatzsteuer entstanden ist, beruht dies umsatzsteuerrechtlich nicht auf einer missbräuchlichen Gestaltung durch die am Leistungsaustausch beteiligten Steuerpflichtigen, sondern auf einer unzutreffenden Umsetzung oder Anwendung des Art. 167 MwStSystRL durch den Mitgliedstaat Deutschland.
Änderung des Vorsteuerabzugs bei Leistungsbezug von einem Ist-Versteuerer ab 1.1.2028
Aufgrund des EuGH-Urteils v. 10.2.2022, C-9/20, hat der Gesetzgeber die Regeln zum Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers mit dem Jahressteuergesetz (JStG) 2024 v. 5.12.2024 geändert, wenn der Leistungserbringer der Ist-Versteuerung gem. § 20 UStG unterliegt. Aufgrund der Neufassung von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG ist der Vorsteuerabzug bei Leistungsbezug von einem Ist-Versteuerer (§ 20 UStG) erst dann möglich, wenn und soweit eine Zahlung auf die ausgeführte Leistung erbracht worden ist. Damit der Leistungsempfänger weiß, dass der leistende Unternehmer Ist-Versteuerer ist und dies für den Vorsteuerabzug berücksichtigen kann, gibt es eine neue Rechnungspflichtangabe (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6a UStG).
Die Änderungen gelten für Rechnungen, die nach dem 31.12.2027 ausgestellt worden sind.