Dipl.-Betriebsw. Birgitta Dennerlein
Ist eine juristische Person (z. B. GmbH) zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber 3 Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, einen Eröffnungsantrag (Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens) zu stellen.
Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Ob eine insolvenzrechtliche Überschuldung vorliegt, ist laut Regierungsbegründung zur Insolvenzordnung anhand eines sog. Überschuldungsstatus zu prüfen. Dabei sind die vorhandenen Vermögensgegenstände mit Zeitwerten am Bilanzstichtag (d. h. Wiederbeschaffungskosten oder Realisationswerte unter Aufdeckung der stillen Reserven) anzusetzen, die sich prinzipiell an der Einzelverwertungsmöglichkeit orientieren.
Davon zu unterscheiden ist die bilanzielle Überschuldung. Diese liegt vor, wenn die Schulden das Aktivvermögen übersteigen, sodass neben dem statuarischen Eigenkapital auch die übrigen Eigenkapitalanteile durch Verluste aufgezehrt sind und nach § 268 Abs. 3 HGB ein "Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag" ausgewiesen werden muss.
Übersicht Überschuldung
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Bilanzielle Überschuldung |
Überschuldung nach Insolvenzrecht |
Definition |
Das Eigenkapital ist durch Verluste aufgebraucht und damit sind die Passivposten höher als die Aktivposten. |
Das Vermögen des Schuldners deckt nicht mehr die bestehenden Verbindlichkeiten. |
Ansatz |
Buchwert laut Handelsbilanz |
Realistische Werte |
Folge |
Ausweis "Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag" auf der linken Seite der Handelsbilanz der Kapitalgesellschaft |
Verpflichtung der gesetzlichen Vertreter, Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen |
Liegt eine bilanzielle Überschuldung vor, indiziert diese das Vorliegen einer insolvenzrechtlichen Überschuldung. Deshalb ist bei Bestehen einer bilanziellen Überschuldung eine Prüfung auf insolvenzrechtliche Überschuldung vorzunehmen.
Unterlässt der Geschäftsführer trotz bilanzieller Überschuldung die Prüfung auf eine insolvenzrechtliche Überschuldung, setzt er sich Haftungsrisiken aus. Nach § 64 Satz 1 GmbHG sind Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden.
Bis zur Änderung der InsO durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (sog. "MoMiG") bedurfte es nach herrschender Meinung eines qualifizierten Rangrücktritts, um die Passivierungspflicht im Überschuldungsstatus zu vermeiden.
Beim qualifizierten Rangrücktritt erklärte der Gläubiger sinngemäß, er wolle wegen der Forderung erst nach Befriedigung sämtlicher anderer Gläubiger der Gesellschaft und – bis zur Abwendung der Krise – auch nicht vor, sondern nur zugleich mit den Einlagenrückgewähransprüchen der Gesellschafter berücksichtigt, also so behandelt werden, als sei seine Forderung statutarisches Kapital.
Hingegen vereinbarten Schuldner und Gläubiger beim einfachen Rangrücktritt, dass eine Rückzahlung der Verbindlichkeit nur dann zu erfolgen habe, wenn der Schuldner dazu aus zukünftigen Gewinnen, aus einem Liquidationsüberschuss oder aus anderem – freien – Vermögen (künftig) in der Lage ist, und der Gläubiger mit seiner Forderung im Rang hinter alle anderen Gläubiger zurücktritt.
Der qualifizierte Rangrücktritt ist seit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts (MoMiG) "tot". Mit dem MoMiG wurde vom Gesetzgeber angeordnet, dass Gesellschafterdarlehen – und keine Drittdarlehen – mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in den Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO untergeordnet werden. Soll die Verbindlichkeit auch im Überschuldungsstatus außer Ansatz bleiben, muss der Gesellschafter jedoch zusätzlich einen Rangrücktritt erklären. Dieser Rangrücktritt ist in § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO kodifiziert.
Kein Rangrücktritt zur Vermeidung der Überschuldung
Seit dem MoMiG sind Gesellschafterdarlehen bei der Ermittlung des Überschuldungsstatus nicht zu berücksichtigen, wenn zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 – 5 InsO bezeichneten Forderungen und Kosten vereinbart worden ist. Es bedarf daher im insolvenzrechtlichen Sinne keines qualifizierten Rangrücktritts mehr, um die Überschuldung und damit die Pflicht zum Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu vermeiden.