Prof. Dr. Stefan Müller, Laura Peters
Rz. 1
Die Kreditvergabebereitschaft der Fremdkapitalgeber ist für die Solvenz des Unternehmens von zentraler Bedeutung. Dabei spielt der Jahresabschluss als Kommunikationsinstrument zwischen Unternehmen und Fremdkapitalgebern sowie für die Fremdkapitalgeber als Krisenindikator eine entscheidende Rolle. In diesem Zusammenhang ist die Stellung des Jahresabschlusses durch die Veränderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen der Kreditvergabe – Stichwort Basel II bis IV – in den letzten Jahren weiter stark gestiegen und wird auch zukünftig – Stichwort Basel III-Finalisierungspaket (inoffiziell auch Basel IV genannt) – weiter steigen. Die unterschiedlichen Begrifflichkeiten von Basel III und Basel IV erklären sich daher, dass der Baseler Ausschuss die in 2017 erfolgten Beschlüsse lediglich als Finalisierung der Vereinbarungen zu Basel III von 2010/2011 (Basel III – Reformpaket) betrachtet. Insbesondere Kreditinstitute sehen darin allerdings eine weitere Verschärfung der Eigenkapitalanforderungen, was sie dazu bewogen hat, das Finalisierungspaket vom Dezember 2017 als Basel IV zu bezeichnen. Dieses Finalisierungspaket wird über die EU bis 2025 umgesetzt werden. Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) hat dazu am 14.12.2023 den konkreten Fahrplan zum Bankenpaket veröffentlicht. Angestrebt ist, den Aufsichtsrahmen zu stärken und internationale Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten. Ziel ist es auch, der Branche Klarheit darüber zu verschaffen, wie sie die Mandate zur Umsetzung der Rechtsvorschriften ausarbeiten wird und wie sie die wichtigsten Komponenten vor dem Geltungsbeginn am 1.1.2025 fertigstellen will. Insgesamt enthält das Regulierungspaket für Banken auch einige Neuerungen im europäischen Aufsichtsrahmen für Kreditinstitute mit einer Reihe von Mandaten für die EBA. Dies wird den EU-Binnenmarkt durch die Ausarbeitung einer Regelung für Niederlassungen in Drittländern vertiefen. Darüber hinaus wird es die Transformation zur Nachhaltigkeit weiter unterstützen, da es neue Regeln enthält, die Banken dazu verpflichten, Risiken, die sich aus Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren (ESG) ergeben, im Rahmen ihres Risikomanagements systematisch zu identifizieren, offenzulegen und zu verwalten. Darüber hinaus sieht das Paket stärkere Durchsetzungsinstrumente für die Aufsichtsbehörden vor, die EU-Banken beaufsichtigen, um deren solides Management sicherzustellen und letztendlich die Finanzstabilität zu schützen. Mit dem Auftrag an die EBA schließlich, einen Säule-3-Datenhub aufzubauen, wird sie den Nutzern direkten und einfachen Zugang zu Säule-3-Informationen ermöglichen und die Marktdisziplin stärken. Die EBA-Roadmap bestätigt, dass die Reihenfolge bei der Entwicklung der Regulierungsprodukte den gesetzlichen Fristen folgen wird, von denen die meisten innerhalb von 2 bis 3 Jahren nach Inkrafttreten der Änderung der Eigenkapitalverordnung (Verordnung Nr. (EU) 2013/575) (Capital Requirements Regulation, CRR III) und der Änderung der Eigenkapitalrichtlinie (Richtlinie 2013/36/EU) (Capital Requirements Directive, CRD VI) konsultiert und fertiggestellt werden. Während die europäische Regulierung noch immer nicht final erfolgte (vorgesehen war dies für April 2024), liegen bereits einige Diskussionspapiere der EBA vor.
Die wichtigsten Änderungen für die Institute betreffen insbesondere die Anforderungen an die Kalkulation der risikogewichteten Aktiva (RWA) für das Kreditrisiko, das operationelle Risiko, das CVA-Risiko (Credit Valuation Adjustment) und teils das Marktrisiko. Die sukzessive Einführung des sogenannten Output-Floors, der die möglichen Entlastungseffekte von Anwendern interner Modelle auf die RWA begrenzt, rückt ebenfalls in den Fokus. Diese haben in Zukunft neben den internen Modellen auch alle Standardansätze parallel anzuwenden.
Unabhängig von den Begriffichkeiten und geänderten Mechanismen der Bankensicherung müssen sich nicht-Finanzunternehmen intensiver auf Kreditverhandlungen vorbereiten, wobei sie sich zunächst bewusst sein müssen, welche Klippen es bei der Kreditvergabe zu beachten gilt. Darüber hinaus müssen sie lernen, einen Blick auf das eigene Unternehmen aus der Brille eines Kreditinstitutes zu werfen, was letztlich einem kontinuierlichen Selbstratingprozess entspricht.