Prof. Dr. Stefan Müller, Laura Peters
Rz. 50
Die qualitative Komponente des Selbstratingsystems dient der Bewertung der Stärken und Schwächen bzw. der Potenziale und Risiken des Unternehmens. Das Vorgehen ähnelt dem Prozess des Chancen- und Risikomanagements im Unternehmen, wobei auch die Bewertung der Unternehmensführung selbst mit einbezogen wird. Es geht insgesamt darum, aus den Stärken und Schwächen Aussagen über die mögliche zukünftige Entwicklung des Unternehmens abzuleiten und damit die vergangenheitsbezogene quantitative Analyse zu ergänzen.
Rz. 51
So kann z. B. ein gutes Management zusammen mit adäquaten Planungsinstrumenten im Unternehmen ein stabilisierendes Element für die zukünftige Entwicklung bedeuten, selbst wenn im Rahmen der quantitativen Analyse ein hohes Risiko festgestellt worden ist. Auf der anderen Seite birgt eine fehlende Regelung zur Unternehmensnachfolge oder eine Abhängigkeit von wenigen Lieferanten die Gefahr einer negativen Entwicklung in der Zukunft, selbst wenn die quantitative Analyse ein sehr gutes Ergebnis aufweist. In diesem Falle sollte sich die höhere Gefahr in einer schlechteren Bewertung niederschlagen.
Rz. 52
Aufgabe der Unternehmensführung ist es, das eigene Unternehmen stetig nach Risiken und Potenzialen zu durchleuchten, nicht nur im Zuge eines bevorstehenden Ratingverfahrens. Letztlich bedeutet dies, die bestehenden oder potenziellen Erfolgsfaktoren des Unternehmens sowie die auf sie einwirkenden Sachverhalte zu kennen, was aber in Theorie und Praxis bisher erst ansatzweise gelungen ist. Daher bietet sich als erste Orientierung für einen solchen Prozess die qualitative Analyse an, die an interne Ratingverfahren deutscher Kreditinstitute angelehnt ist. Diese Analyse deckt die grundlegenden Bereiche ab, in denen Insolvenzrisiken aus Sicht eines Fremdkapitalgebers auftreten können. Für die Bestimmung einer Ausfallwahrscheinlichkeit für das Unternehmen ist dieses Vorgehen ausreichend. Aus der Sicht der Unternehmensplanung und -steuerung ist es aber notwendig, eine gründliche Analyse speziell der Bereiche folgen zu lassen, in denen sich besondere Risiken oder auch Potenziale manifestiert haben.
Rz. 53
Das Selbstratingsystem orientiert sich an den Themenkomplexen "Markt/Produkt", "Management/Personal", "Planung/Kontrolle" und "Risikomanagement". Zu jedem dieser Themenbereiche gibt es mehrere Einzelfragen, die durch Auswertung von Unterlagen der Unternehmensplanung und des Rechnungswesens oder von externen Unterlagen zu beantworten sind.